Bodenrenovierung-Sporthalle-01
Die Sporthalle erhielt einen neuen Bodenbelag. Danach trat ein unzumutbarer Geruch auf. (Abb.: Sachverständigenbüro Richardson)

Innenraumluft 2016-01-28T00:00:00Z Was riecht denn hier so?

Um beim Neubau sowie bei Sanierungen und Renovierungen Anforderungen an schadstoff- und geruchsarmes Bauen zu erfüllen, müssen eine Reihe von Mindestanforderungen eingehalten werden. Dazu zählen die Auswahl emissionsarmer Baustoffe, wobei Label eine Orientierung geben können, die Erstellung eines Lüftungskonzepts und das Einhalten der Belegreife bei neu eingebrachten Estrichen.

Die Renovierung ist abgeschlossen, das neue Gebäude bezogen und die Nutzer sind dennoch unzufrieden. Denn es riecht unangenehm und man befürchtet, dass der Geruch auf Schadstoffe zurückzuführen ist. Sowohl Planer als auch Bauherr sind in diesen Fällen häufig konsterniert, vor allem wenn Baumaterialien mit Hygienelabeln ausgewählt wurden. Schnell wird dann der Nutzer beschuldigt, er hatte zum Beispiel falsche Reinigungsmittel eingesetzt oder er reagiere hysterisch. Oder der Handwerker wird verdächtigt, das ausgeschriebene Produkt gar nicht eingesetzt zu haben. Hält der Geruch länger an und die Beeinträchtigung klingt nicht ab, können in einem ersten Schritt Raumluftmessungen auf „Gerüche“ durchgeführt werden - im besten Fall durch ein akkreditiertes Sachverständigenbüro mit Erfahrung in der Geruchsbewertung.

Vielfältige Ursachen können Geruchsbelästung zugrunde liegen

Eine Reihe von Ursachen kann einer lang anhaltenden Geruchsbelästung zugrunde liegen. Die einzelnen Faktoren können sich auch wechselseitig beeinflussen oder die Effekte verstärken. Häufig gehen die Belastungen von großen Oberflachen wie Decken, Wänden und Bodenaufbauten aus. So können aus elastischen Oberboden Styrol, Naphthalin, Phenole, Aldehyde und Ketone entweichen. Zusätzlich kann der Oberboden mit anderen Materialien des Fußbodenaufbaus reagieren, so dass „sekundär“ neue Substanzen entstehen, zum Beispiel wenn der Estrich oder die Spachtelmasse nicht vollständig getrocknet sind, weil der Fußbodenverleger wegen des Zeitdrucks während der Ausführungsphase auf einem nicht vollständig trockenen Estrich verlegt hat. Beispiele für solche feuchtebedingte Reaktionen sind die alkoholischen Verbindungen 2-Ethylhexanol und Butanol aus Verseifungsvorgängen, 4-Phenylcyclohexen (4-PCH) und Kresole aus der Verseifung von PVC und Weichmachern sowie Benzothiazol, das aus Vulkanisationshilfsmitteln bei Kautschukbelägen freigesetzt wird. Aus Farben, Lacken und Beschichtungen können Lösemittel wie Glykolverbindungen, Alkane, Aromaten, Ketone und Ester sowie Aldehyde (Alkydharze) abgegeben werden. Bei Holzwerkstoffen muss man mit dem Entweichen von Terpenen, Aldeyhden, Carbonsäuren und Ketonen rechnen. Auch die Einschätzung, dass die ausgewählten Bauprodukte emissionsarm sind, kann falsch sein. Denn eine Zulassung des Bauprodukts vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) heißt nicht zugleich, dass die Produkte emissionsarm, sondern nur dass sie emissionskontrolliert sind. Auch andere Label wie der Blaue Engel oder das für Bodenverlege-Werkstoffe bekannte Label Emicode der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e. V. (GEV) garantieren nicht, dass keine Gerüche oder auffälligen Emissionen auftreten. Ein weiterer Grund für eine Geruchsauffälligkeit kann eine unzureichende Belüftung der Räume sein. Wenn zum Beispiel im Rahmen einer umfassenderen Sanierung auch die Luftdichtheit des Gebäudes hergestellt wurde, können sich flüchtige Schadstoffe in der Raumluft konzentrieren, falls nicht gleichzeitig ein ausreichender Luftwechsel sichergestellt wird. Wird der Geruch als belästigend und nicht hinnehmbar bewertet und ist die Geruchsquelle identifiziert, muss erneut saniert werden. Doch wer haftet für den Schaden? Wer übernimmt die Kosten für den Rückbau? Welches Material kann neu eingesetzt werden?

Fallbeispiel: Verlegewerkstoffe reagierten mit feuchtem Estrich

In einer neu gebauten Sporthalle weist der elastische Bodenbelag nicht nur technische Mängel wie Blasen und Beulen auf. Die Nutzer klagen darüber hinaus über eine deutliche Geruchsbelästigung und teils sogar erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Atemnot und Schleimhautreizungen. Die Raumluft wird untersucht und in Anlehnung an den AGOF-Geruchsleitfaden bewertet. Auf einer Skala von 0 bis 5, wobei 5 den stärksten Geruch darstellt, wird selbst nach Belüftung der Räume von Nutzern, Bauherren und Sachverständigen eine Intensität des Geruchs von 4 beschrieben. Erste Raumluftmessungen auf leicht flüchtige organische Verbindungen (VOC) in der acht Stunden ungelüfteten Halle ergeben auffällige Konzentrationen von geruchsintensiven Substanzen wie Styrol, Naphthalin, 2-Ethylhexanol und Benzothiazol. Der AGOF-Orientierungswert (AOW) wird für diese Substanzen überschritten, das bedeutet, dass relevante Quellen vorliegen. Styrol und Naphthalin liegen außerdem über dem toxikologisch abgeleiteten Richtwert I der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Innenraumrichtwerte beim Umweltbundesamt. Auch wenn der Richtwert II, der wegen gesundheitlicher Gefährdungen unverzüglichen Handlungsbedarf signalisiert, nicht überschritten wird, besteht dennoch Handlungsbedarf. Denn per Definition ergeben die toxikologisch abgeleiteten Richtwerte der Ad-hoc AG Innenraumrichtwerte bei Überschreitungen des Richtwerts I (RW I) eine über das übliche Maß hinausgehende, hygienisch unerwünschte Belastung. Aus Vorsorgegründen besteht deshalb auch im Konzentrationsbereich zwischen RW I und RW II Handlungsbedarf. Im Januar 2014 hat die Ad-hoc AG Innenraumrichtwerte ein weiteres Bewertungskonzept für 32 Einzelsubstanzen mit Geruchsschwellen und vorläufigen Leitwerten veröffentlicht. Eine Überschreitung des vorläufigen Geruchsleitwerts I (vGLW I) wird als „geruchlich auffällig“ eingestuft, eine Überschreitung des vorläufigen Geruchsleitwerts II (vGLW II) als „geruchlich erheblich belästigend“. Für die Ermittlung der Geruchsleitwerte gelten besondere Messbedingungen. Dabei soll neben der acht Stunden ungelüfteten Messung auch eine Messung unter Nutzungsbedingungen mit vorheriger Belüftung vorgenommen werden. Im Fallbeispiel wurden diese Rahmenbedingungen nicht eingehalten, so dass keine Bewertung nach Geruchsleitwerten erfolgte. Aufgrund der noch geringen Zahl der bewerteten Substanzen hatte auch nur ein Geruchsleitwert für Benzothiazol vorgelegen. Orientierende Feuchtemessungen am Fußboden ergaben außerdem Hinweise darauf, dass der Estrich auch eineinhalb Jahre nach Nutzung der Halle noch nicht ganz trocken war. Die Bestimmung des Feuchtegehalts mit der Darrmethode bestätigte, dass der Estrich insbesondere in den oberen Schichten noch feucht war. Eine Materialprobe des Oberbodens wurde im Labor untersucht. Auch in dieser Probe fanden sich hohe Konzentrationen der in der Raumluft auffälligen Verbindungen.

Autor: Nicole Richardson

Dieser Beitrag ist Teil eines Artikels aus B+B BAUEN IM BESTAND, Ausgabe 07-2014

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zuletzt editiert am 09. April 2021