Dem Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP ist es innerhalb des von der Europäischen Union geförderten Projekts „NewSkin“ gelungen, kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas aufzubringen und damit hydrophobe Oberflächen zu erreichen, die unter UV-Licht superhydrophil werden.
Die Reinigung von Glasfassaden und Solaranlagen ist teuer und aufwendig. Schmutz vermindert den Ertrag der Solarmodule. Grund genug, an schmutzabweisenden, leicht zu reinigenden Oberflächen zu forschen, die bei geringeren Wartungskosten für Transparenz und Sauberkeit bei Fassaden und für eine effizientere und gleichmäßigere Energiegewinnung bei der Solarstromgewinnung sorgen.
„Wir setzen auf die photoinduzierte Hydrophilie auf Oberflächen“, erläutert Diplomand Valentin Heiser vom Fraunhofer FEP. „Um diesen Effekt aufzuskalieren, bringen wir erstmals kristallines Titanoxid im Rolle-zu-Rolle-Verfahren auf ultradünnes Glas auf. Dies ist sehr effizient und das ultradünne und leichte Glas kann nachträglich auf Fassaden aufgebracht oder direkt als Verbundwerkstoff in die Solarmodule eingearbeitet werden – sogar auf gebogene Oberflächen.“
Unbestrahlt hydrophob, bestrahlt superhydrophil
Titandioxid verändert durch UV-Einstrahlung (die Aktivierung erfolgt also beispielsweise durch Sonnenlicht) seine Hydrophilie, seine wasserabweisende Eigenschaft. Unbestrahlt ist es hydrophob, also Tröpfchen bildend und wasserabweisend. Nach einer Bestrahlung ist es superhydrophil, also vollständig benetzend. Bei photoinduzierter Hydrophilie wechselt die Oberfläche nach circa 30 Minuten Bestrahlung mit sonnenähnlichem UV-Licht von hydrophob zu superhydrophil.

Auf Oberflächen mit einer solchen Titandioxid-Beschichtung kann sich durch diesen Effekt kein oder nur sehr wenig Schmutz ablagern. Setzt sich beispielsweise Verkehrsstaub, Sand oder sonstiger Schmutz auf Glasfassaden oder Solarpanels ab, wird dieser durch die nächtliche Hydrophobie der Oberfläche über abperlende Regentropfen abgewaschen. Darüber hinaus bleibt der Schmutz besonders durch den zyklischen Wechsel von hydrophob und superhydrophil auch tagsüber nicht an der Oberfläche haften. Mit UV-Licht aktiviertes Titanoxid zersetzt durch Photokatalyse außerdem organische Moleküle an der Oberfläche. So entstehen antibakterielle und sterile Oberflächen, die besonders in der Medizintechnik oder in Verbindung mit flexiblen Displays von Interesse sind.
Die Forschenden am Fraunhofer FEP haben nun erste Beschichtungen entwickelt: Konkret wurde eine 30 Zentimeter breite und 20 Meter lange Rolle Dünnglas, mit einer Glasdicke von 100 Mikrometern in einer Rolle-zu-Rolle-Anlage mit 30 bis 150 Nanometern Titanoxid beschichtet. Diese Pilotanlage für Rolle-zu-Rolle-Beschichtungen von Dünnglas (FOSA LabX 330 Glass der Firma Von Ardenne) steht am Fraunhofer FEP.
Bei Dünnglas kann Rolle-zu-Rolle-Technologie eingesetzt werden
Herausfordernd für das Projekt ist nach Angaben des Fraunhofer FEP zum einen, dass Dünnglas ein sehr neues Substrat mit großen Anforderungen ans Handling ist - es bricht sehr leicht und reagiert empfindlich auf thermische und mechanische Belastungen. Zum anderen erreicht Titandioxid seine besonderen Eigenschaften der Hydrophobie und -philie nur, wenn es kristallin ist. Dafür benötigt es hohe Temperaturen während der Herstellung. Sputterbeschichtungen mit diesen Anforderungen waren bisher in Rolle-zu-Rolle-Technologie nicht umsetzbar, da gängige Substrate, wie zum Beispiel Folien, den hohen Temperaturen nicht standhalten konnten. Dünnglas bietet hier eine Alternative.
Dank dieser Ergebnisse durch das NewSkin-Projekt arbeiten die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP nun daran, die Eigenschaften von Titandioxid und Dünnglas optimal und kosteneffizient zu vereinen, um gemeinsam mit der Industrie innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Mit den ersten gelungenen Beschichtungen auf Ultradünnglas wurden die Grundlagen hierfür gelegt. Forscher des Newskin-Partners Universität Uppsala arbeiten daran, die Ergebnisse auch auf Polymerfolien zu übertragen.
Künftig wird das Fraunhofer FEP auch an Schichtsystemen arbeiten, die nicht nur mit UV-Licht, sondern auch mit sichtbarem Licht aktiviert werden können. Auch die Herstellung und Einbettung von Nanopartikeln oder das Dotieren, beispielsweise mit Stickstoff, sind angedacht. Die Forschenden des Fraunhofer FEP werden auf der BAU 2023, in München, vom 17. Bis 22. April 2023, am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand Nr. C2-528 erste Ergebnisse dieser Beschichtungen neben weitere Highlights präsentieren. Weitere Informationen über NewSkin >>>. Weitere Informationen über das Projekt am Fraunhofer FEP >>>