Ein detaillierter Querschnitt eines Sandwichpaneels, das aus mehreren Schichten besteht, darunter eine poröse Schicht und eine Holzplatte.
Die variierende Porenstruktur der mineralischen Schäume zwingt die Luftpartikel auf einen längeren Weg, um ins Material und wieder hinauszugelangen. (Quelle: Empa)

Bauwerkserhaltung 2025-08-20T11:25:00Z Ultradünne Schallschlucker

Forschende der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa haben neuartige Schallabsorber aus mineralischen Schäumen entwickelt. Sie sind nicht nur deutlich dünner als herkömmliche Schallschutzprodukte, sondern lassen sich auch gezielt für unterschiedliche Frequenzbereiche designen.

Im Kampf gegen Lärm zählt auf dem Bau jeder Zentimeter. Klassische Schallabsorber bestehen jedoch meist aus voluminösen Materialien wie Steinwolle oder Melaminschaum. Um auch tiefe Schallfrequenzen wirksam zu dämpfen, sind dicke Dämmschichten notwendig – das kostet Platz, schränkt gestalterisch ein und ist im Außenbereich oft nicht umsetzbar. 

Gemeinsam mit der Firma de Cavis haben Empa-Forschende deshalb ultradünne Schallabsorber aus mineralischen Gips- oder Zementschäumen entwickelt. Diese sind genauso wirksam wie herkömmliche Absorber, aber rund viermal dünner. Weitere Vorteile: Die Schäume lassen sich gezielt auf bestimmte Frequenzbereiche abstimmen sowie einfach zuschneiden und montieren. Hergestellt aus Gips oder Zement, können sie feuerfest und recycelbar sein und setzen keine gesundheitsschädlichen Partikel frei. Zementschäume sind zudem wetterfest und damit auch für den Außenbereich geeignet. 

Labyrinth für Schallwellen 

Die hohe Schallabsorption trotz geringer Materialdicke beruht laut Empa-Forscher Bart Van Damme auf einer patentierten Konstruktion: „Die variierende Porenstruktur der mineralischen Schäume zwingt die Luftpartikel auf einen längeren Weg, um ins Material und wieder hinauszugelangen. Trotz geringer Dicke entsteht so für die Schallwellen der Eindruck eines viel dickeren Absorbers.“ Entscheidend dafür sind möglichst große Poren mit möglichst dünnen Porenwänden. 

Für die neuartigen Schallabsorber verwenden die Forschenden der Empa-Abteilung Akustik/Lärmminderung mehrere poröse Schichten. Dabei variieren sie nicht nur die Dicke der einzelnen Schichten und die Größe der Poren, sondern versehen sie zusätzlich noch mit kleinsten Löchern. Während sich die Schäume aus Gips oder Zement mit etablierten Verfahren und über 90 Prozent Porenanteil herstellen lassen, erfolgt die Perforierung derzeit noch von Hand. 

Mit Hilfe eines numerischen Modells bildeten die Forschenden zudem nach, wie auf kleinster Ebene die Luft durch die Poren der Mineralschäume strömt. „So lässt sich das akustische Verhalten des gesamten Materials simulieren – und durch Variation von Porengröße, Perforation und Schichtaufbau gezielt beeinflussen“, sagt Van Damme. 

Erfolgreicher Test in Zürich 

Verkehrslärm bewegt sich typischerweise im Bereich zwischen 500 und 1000 Hertz. Modellberechnungen zeigen, dass für diesen Frequenzbereich vier abgestimmte Schichten aus feinporigem Mineralschaum mit einer Gesamtdicke von rund 5,5 Zentimetern als Dämmmaterial ausreichen. Einen ersten Prototyp mit insgesamt zwölf Quadratmetern Fläche hat die Empa in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich bereits in einer Hofeinfahrt getestet. In einer im Vorfeld durchgeführten Simulation optimierten die Forschenden die Anordnung der einzelnen Paneele an den Wänden. Kontrollierte Messungen vor Ort bestätigten die Prognosen: Der Lärmpegel sank durch die 72 Paneele um bis zu 4 Dezibel. Besonders deutlich war die Wirkung bei vorbeifahrenden Autos, die sich der Einfahrt näherten oder von ihr entfernten, da der Schall auf dem Weg in den Innenhof mehrfach an den Paneelen reflektiert wird. 

Im Vergleich mit herkömmlicher Steinwolle zeigte sich: Die neuen Absorber sind bei tiefen Frequenzen zuverlässiger, bei höheren dagegen etwas weniger effizient – reduzieren aber dennoch die Schallübertragung im Bereich der Spitzenabsorption. „Bereits eine so kompakte Installation wie in der Einfahrt senkt also den Lärm deutlich“, so das Fazit von Van Damme. 

Nachträgliche Montage möglich und sinnvoll 

Die mineralischen Schallabsorber könnten also in Einfahrten, unter Balkonen oder an Fassaden in lärmbelasteten Straßen nachträglich montiert werden. Voraussetzung ist wie bei allen offenporigen Absorbern ein Schutz vor Witterung und Verschmutzung, etwa durch eine perforierte Deckschicht. „Idealerweise werden die Absorber bei Neubauten bereits im architektonischen Entwurf berücksichtigt“, erläutert Van Damme. Darüber hinaus lassen sich die Elemente gut in Treppenhäusern oder großen Innenräumen wie Büros, Kantinen oder Sporthallen integrieren – auch aus gestalterischer Sicht, da der poröse Mineralschaum aus demselben Material wie die Wandoberflächen besteht. 

Die Idee für den Absorber entstand laut Bart Van Damme bereits vor einigen Jahren. Der Durchbruch gelang jedoch erst durch die Kombination von Materialentwicklung und akustischer Modellierung im Rahmen eines Innosuisse-Projekts. Auf der Grundlage des numerischen Modells lässt sich der Absorber für den jeweiligen Zweck Maß anfertigen: Soll er besonders tiefe Töne dämpfen wie etwa in großen Sälen? Oder eher im Mitteltonbereich wirken wie zum Beispiel bei Verkehrslärm, in Büros oder Klassenzimmern? 

Aktuell ist die Fertigung noch aufwendig und erfolgt zum Teil von Hand. Gemeinsam mit einem geeigneten Industriepartner soll das Material nun weiterentwickelt und in größerem Maßstab produziert werden. Weitere Informationen >>>

zuletzt editiert am 20. August 2025