In einer von der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) in Auftrag gegebenen Studie hat das Fraunhofer Institut für Bauphysik (Fraunhofer IBP) die Potenziale von Mauerwerk zur Erreichung der Klimaziele untersucht. Ein Teilergebnis: Zwar wird bei der Herstellung von Mauerwerksprodukten CO2 frei, aber über den Prozess der Recarbonatisierung speichern sie das Treibhausgas auch dauerhaft.
Eine treibhausgasneutrale Gebäudebestand bis 2045 ist das erklärte Ziel der Bundessregierung. Ein wesentliches Bewertungssystem, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, sind Ökobilanzierungen, die das Gebäude über seinen gesamten Lebenszyklus betrachten. Hierbei sind Aspekte der Senkung von Treibhausgasemissionen und der CO2-Speicherung im Gebäude mit zu berücksichtigen. Dies wird bei biobasierten Baustoffen wie etwa Holz beziehungsweise bei Gebäuden in Holzbauweise seit Jahren umgesetzt, indem die temporäre Speicherwirkung für biogen gebundenes CO2 in der Ökobilanz abgebildet wird. Das CO2-Speicherpotenzial von Mauerwerk fand dabei bislang keine Beachtung.

Innerhalb einer umfassenden neuen Studie „Potenziale im Mauerwerksbau“ des Fraunhofer IBP sowie der TU München wurden anhand von unterschiedlichen Gebäudetypen (Mehrfamilien- und Einfamilienhaus) lebenszyklusorientierte Ökobilanzierungen durchgeführt. Über Betrachtungszeiträume von 50 und 80 Jahren wurden dabei Gebäude aus verschiedenen Wandbaustoffen untersucht: Kalksandstein, Ziegel, Leichtbeton und Porenbeton sowie Stahlbeton, Holzmassivbau und Stahlbeton mit vorgehängten Holzrahmentafeln. Im Ergebnis ist sichtbar, dass die Recarbonatisierung von Mauerwerk dazu führt, dass zum Beispiel die lebenszyklusorientierte CO2-Bilanz eines MFH-Typengebäudes auf Ebene der Mauerwerksprodukte erheblich (bis zu 52 %) und auf Ebene des Gesamtgebäudes immer noch nennenswert (bis zu 7 %) reduziert wird. „Die Chancen für die Umsetzung klimaneutraler Gebäude sind auch im Mauerwerksbau gegeben“, sagt deshalb Prof. Gunnar Grün, Stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IBP. „Hierzu müssen für die Mauerwerksprodukte unter anderem deren Langlebigkeit, die Effekte aus Recarbonatisierung sowie klimafreundliche Rezepturen Berücksichtigung finden.“
Recarbonatisierung: Prozess der dauerhaften CO2-Speicherung
„Dass auch Baustoffe wie Mauerwerk eine CO2-Speicherwirkung haben, stand – im Gegensatz zur CO2-Speicherwirkung von Holz – beim öffentlichen Nachhaltigkeitsdiskurs bisher nicht im Fokus, obwohl die materialtechnologischen Hintergründe der Recarbonatisierung seit Jahren bekannt und unstrittig sind“, sagt Dr. Sebastian Pohl von der LCEE Life Cycle Engineering Experts GmbH, die in sich einer weiteren Studie mit dem Thema befasste. Recarbonatisierung ist die Fähigkeit, CO2 zu binden. Diese natürliche chemische Reaktion betrifft alle zement- und kalkgebundenen Baustoffe: Bei ihrer Herstellung wird CO2 freigesetzt, über CO2 aus der Umgebungsluft wieder auf und speichern es dauerhaft. „Über die Nutzungsphase eines Gebäudes von 50 Jahren hinweg sind Mauersteine aus Kalksandstein, Leicht- und Porenbeton in der Lage, bis zu 150 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Tonne Mauerwerk dauerhaft zu speichern“, so Pohl weiter.

„Bereits heute sind in den seit 1970 errichteten Bauten aus Kalksandstein, Leichtbeton und Porenbeton rund 31 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (CO2-eq.) durch Recarbonatisierung gebunden“, sagt Matthias Günter vom Pestel Institut, das sich im Auftrag der DGfM ebenfalls mit der CO2-Speicherfähigkeit von Mauerwerk beschäftigte. „Wenn künftig, wie im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre weiter gebaut wird, steigt die gebundene Menge an CO2-eq. bis 2050 auf gut 52 Millionen Tonnen. Und diese CO2-Bindung bleibt im Unterschied zur thermischen Entsorgung von Holz auch beim Abbruch der Gebäude erhalten.“