Der Garten der denkmalgeschützten Villa musste metertief abgetragen werden.
Der Garten der denkmalgeschützten Villa musste metertief abgetragen werden. (Quelle: Andreas Edye Architekten)

Bauwerkserhaltung 16. May 2023 Thema des Monats: Technische und logistische Meisterleistung

Eine kleine, denkmalgeschützte Villa im Hamburger Stadtteil Othmarschen hatte eine erhebliche Schräglage. Das Gebäude war, vermutlich durch Austrocknung der torfhaltigen Böden in der Gegend, um bis zu 50 Zentimeter abgesackt. Nachdem das Gebäude angehoben worden war, wurde der entstandene Hohlraum mit einem speziellen Beton verfüllt und die Villa gerettet.

Das denkmalgeschützte Gebäude wurde als eines der ersten Einfamilienhäuser nach dem Ersten Weltkrieg von dem renommierten Architekten Erich Elingius entworfen. Die massive Bauweise mit zweischaligen Außenwänden aus hartgebrannten Ziegeln ist für das Hamburger Format typisch. Besondere Details, wie die Holzfenster mit Originalbeschlägen, sind bis heute gut erhalten. Auch im Inneren waren viele Ausstattungselemente, wie die alte Holztreppe, der Stuck und der Kaminofen, noch in einem sehr guten Zustand. Der Eigentümer entschied sich daher für die Instandsetzung des Gebäudes.

Das Haus war auf der Gartenseite immer tiefer in den Boden eingesunken.
Das Haus war auf der Gartenseite immer tiefer in den Boden eingesunken. (Quelle: Andreas Edye Architekten)

Für die damalige Zeit war die Villa mit einem sehr modernen Stahlbetonkeller ausgestattet. Durch die zirka 30 bis 40 Zentimeter dicke und aus Ortbeton hergestellt Sohle, die Betonwände und der Stahlbetondecke stand der Backsteinbau auf einer sehr steifen Einheit. Daher entschieden sich die Planer für das Aufständern der Villa mit Presspfählen als das geeignetste System der Nachgründung. Die Methode ähnelt dem Wagenheber-Prinzip. An zwei Tagen konnte das Haus mit dieser Technik um rund 50 Zentimeter angehoben werden.

Anhebung des Gebäudes mit Hilfe hydraulischer Hebezylinder

Wie ein Auto mit einem Wagenheber wurde das Gebäude mit Hilfe mehrerer dieser Konstruktionen angehoben.
Wie ein Auto mit einem Wagenheber wurde das Gebäude mit Hilfe mehrerer dieser Konstruktionen angehoben. (Quelle: Andreas Edye Architekten)

Das Einbringen, Montieren und hydraulische Anheben der Pfähle übernahm eine Spezialfirma. Die Presspfähle wurden bei vollständiger Bodenverdrängung in eine Tiefe von bis zu 14 Metern in den Boden gerammt. Es wurden auch zehn Pfähle im Außenbereich gesetzt, alle weiteren wurden aufgrund der schwierigen Bodenqualität unter dem Haus angebracht. Auch im Keller musste an 30 Stellen durch die zirka 40 Zentimeter dicke Betonsohle gebohrt werden. Die Hebevorrichtung im inneren Bereich bestand aus Gewindestangen, davon wurden vier Stück je Bohrung in die Betonsohle eingeklebt. Über die Stangen wurden die Kräfte in den Pfahl eingeleitet. Jeder dieser Klebeverbindung übertrugt eine Kraft von jeweils fünf Tonnen.

Auf diese Vorrichtungen wurde dann jeweils ein Hebezylinder gestellt und an die vier Stangen eine Stahlplatte mit einer Dicke von vier Zentimetern angeschraubt. Damit stand der Hebezylinder auf dem Pfahl fest mit dem Boden verbunden. Über diese Stahlplatte und die Stangen wurde dann die Bodenplatte schrittweise mit Hilfe der hydraulischen Hebezylinder angehoben. Zuerst nur ein paar Millimeter, um zu prüfen, wie sich das Ganze vom Untergrund ablöst. Insgesamt waren es am ersten Tag zirka 25 Zentimeter. Bei dem Vorgang wurde die Schieflage von einem Vermessungsingenieur durch überwachtes manuelles Pumpen der Hydraulikzylinder ausgeglichen.

Verfüllung mit besonders fließfähigem Beton

Mit „Easycrete“ der Heidelberger Beton wurde der Hohlraum verfüllt.
Mit „Easycrete“ der Heidelberger Beton wurde der Hohlraum verfüllt. (Quelle: Andreas Edye Architekten)

Durch die Anhebung entstand unter der Sohle ein Volumen von 48 Kubikmetern. Für eine langfristige und dauerhafte Lagesicherung des Gebäudes musste der Hohlraum nach der Anhebung zeitnah verfüllt werden, sodass eine flächige Lastenverteilung, sowie der Ausschluss von Luft gewährleistet wurde. Doch womit sollte der Hohlraum verfüllt werden? Nach eingehender, gemeinsam mit Statiker und Bodengutachter durchgeführter Recherche waren sich alle Beteiligten einig, dass Beton die beste Wahl ist und nahmen Kontakt zu Heidelberg Materials auf.

Nach Rücksprache mit dem Labor von Heidelberg Materials entschied man sich für den sehr fließfähigen „Easycrete SF“, versehen mit Quellmittel. Das Material war direkt verfügbar und in Abstimmung mit der Logistik des Unternehmens konnte es schon am nächsten Tag verfüllt werden. Der verwendete Beton erreichte mit einem C25/30, F6 die gewünschte Druckfestigkeit. Die Quellmittel wurden auf der Baustelle mit dem Easycrete vermischt und wirkten gegen das Schwinden des Betons. Der Beton konnte sich so kraftschlüssig unter der bestehenden Bodenplatte verteilen. Die Bodenplatte musste direkt auf der neuen Betonschicht aufliegen, sodass das Haus wie auf einem Betonkissen ruht.

Nur kleinere, reparable Schäden durch Anhebung

Das denkmalgeschützte Gebäude wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom renommierten Architekten Erich Elingius entworfen.
Das denkmalgeschützte Gebäude wurde nach dem Ersten Weltkrieg vom renommierten Architekten Erich Elingius entworfen. (Quelle: Andreas Edye Architekten)

Das Bauunternehmen benötigte für die Schalung einen Tag, da diese sehr dicht sein musste, um den besonders fließfähigen Beton zu halten. Die 50 Kubikmeter Beton wurden in insgesamt sechs Stunden eingebracht. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Das denkmalgeschützte Wohnhaus steht wieder auf festem Grund. Türen und Fenster haben sich so gut wie nicht verzogen. Ein paar Risse im Mauerwerk sind durch die Anhebung entstanden und werden nachträglich mit einer denkmalgerechten Sanierung durch eine Spezialfirma wiederhergestellt. Nach dieser aufwendigen Operation konnte anschließend mit der Sanierung im Innen- und Außenbereich begonnen werden.

Objektsteckbrief

  • Projekt: Villa in Othmarschen, Hamburg
  • Architekten: Andreas Edye Architekten, Hamburg
  • Pfahlbauunternehmen: König GmbH, Stade
  • Beton: 50 Kubikmeter Heidelberger „Easycrete SF“ C 25/30, F6
  • Lieferwerk: Heidelberg Materials Beton, Region Nord-West, Hamburg
  • Fertigstellung: 2022
zuletzt editiert am 17.05.2023