Ulmer Chemiker haben einen Schutzfilm entwickelt, der Bauwerke aus Naturstein vor schädlichen Umwelteinflüssen schützt. Die transparente Flüssigkeit „POM-IL“ wirkt sowohl als Schutzschild gegen sauren Regen als auch gegen Biofilme, die durch Bakterien verursacht werden.
Saurer Regen und Biofilme zerstören Natursteinfassaden. Jetzt hat eine Forschergruppe um den Ulmer Chemie-Professor Carsten Streb einen Schutzfilm entwickelt, das Steine nach Angaben der Forscher unempfindlich gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen macht. Die wasserabweisende und säureresistente Flüssigkeit (POM-IL) lässt sich als transparenter Schutzfilm auf Natursteine auftragen. In der Fachzeitschrift „Angewandte Chemie“ stellen die Wissenschaftler die Oberflächenbeschichtung vor, die eine große Bedeutung für die Baubranche und den Denkmalschutz haben könnte.
Säure und Biofilme sind „Gegner“ von Natursteinen
Die Korrosion von Natursteinen bedroht vor allem denkmalgeschützte Gebäude oder antike Statuen. Für den Verfall sind vor allem zwei Ursachen verantwortlich: Zum einen zerstört durch industrielle Umweltverschmutzung ausgelöster saurer Regen die Fassaden. Zum anderen bilden Mikroben einen dünnen Biofilm, der die Steine unansehnlich und porös werden lässt. Nun haben Forschende des Ulmer Instituts für Anorganische Chemie I mit Kollegen aus dem spanischen Zaragoza und aus Reims eine multifunktionale Oberflächenbeschichtung entwickelt, die häufig verbaute Natursteine sowohl gegen sauren Regen als auch gegen Mikroben schützt. Die Forschenden setzen dabei auf eine ionische („salzartige“) Flüssigkeit, die sich unter anderem bereits im Korrosionsschutz von Metallen bewährt hat. „Bei dieser Polyoxometallat-ionischen Flüssigkeit, kurz ‚POM-IL‘, lassen sich Kation und Anion unabhängig voneinander verändern. So können wir die Eigenschaften der Beschichtung den jeweiligen Umweltbedingungen anpassen“, erklärt Professor Carsten Streb. Im Zuge der nun veröffentlichen Studie haben die Forschenden zwei Varianten des Oberflächenschutzes, „POM-IL1“ und „POM-IL2“, hergestellt und an drei Arten natürlicher Carbonatgesteine mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung sowie Porösität (Belgischer Blaustein, Dom-Stein, Romery-Stein) erprobt.
Beschichtungen erwiesen sich als stabil
Im Labor haben die Chemiker Tests mit den neuartigen Flüssigkeiten durchgeführt. Zunächst wurden Kalkstein-Proben, die häufig in Belgien und Nordfrankreich verbaut werden, mit POM-IL1 oder POM-IL2 bestrichen. Über 72 Stunden sind die so behandelten sowie naturbelassene Referenzproben in einem Glasbehälter mit Essigsäure bedampft worden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Proben anschließend gereinigt, getrocknet und gewogen. Doch der Effekt des Schutzfilms war nach eigenen Angaben bereits mit bloßem Auge sichtbar: „Die mit POM-IL behandelten Steine haben ihre Form behalten, während die Oberflächen der naturbelassenen Steine teils stark verwittert und beschädigt waren – dieser Materialverlust bestätigte sich auf der Waage“, sagt Ersautorin Archismita Misra. Insgesamt zeigte „POM-IL1“ eine noch bessere Schutzwirkung. Das zeigt, dass sich die Eigenschaften der Flüssigkeiten anpassen lassen. In einem zweiten Versuch haben die Wissenschaftler die Unversehrtheit der „POM-IL“-Schicht auf den Natursteinproben untersucht.
Dazu wurden die Proben drei Stunden lang mit simuliertem sauren Niederschlag beregnet. Beim anschließenden Wiegen bestätigte sich die Schutzwirkung der Beschichtung, die auch unter diesen erschwerten Bedingungen mechanisch und chemisch intakt geblieben war.
Ob die Beschichtungen auch gegen Mikroben und somit schädliche Biofilme wirken, haben die Forscher darüber hinaus im Labor und anhand der Gesteinsproben untersucht. Mit verschiedenen Methoden wie Zellwachstumsstudien, Elektronen-, Fluoreszenz- und Konfokalmikroskopie überprüften sie Wachstum sowie Aktivität unter anderem von E.-Coli-Bakterien auf behandelten und unbehandelten Steinen. „Durch Zählen der Bakterienkolonien konnten wir die Wirksamkeit der neuen Beschichtung gegen Biofilme nachweisen: ‚POM-IL‘ reduzierte die Anzahl der Mikroben erheblich und die verbliebenen Bakterien zeigten Stress-Symptome‘“, resümiert Professor Carsten Streb.
Um die Langzeitwirkung von „POM-IL“ beurteilen zu können, müssen allerdings noch weitere Studien unter realen Bedingungen durchgeführt werden. Dabei sollte das Augenmerk auf der Wirksamkeit der Flüssigkeit gegen Pilze liegen.
Für die aktuelle Studie hat sich die Gruppe Beratung geholt: Der Bauhüttenmeister des Ulmer Münsters, stand ihnen beratend zur Hilfe. Die Forscher aus Ulm, Zaragoza und Reims wurden weiterhin mit Mitteln der Universität Ulm und von spanischen Geldgebern unterstützt.