Die Grundschule Annaburg ist Teil eines imposanten Schlossensembles. Ihre Renaissancefassade hatte erheblichen Schaden genommen. Nun wurde sie originalgetreu wiederhergestellt. Eine besondere Herausforderung stellten ihre zahlreichen Verzierungen dar.
Die Lutherstadt Wittenberg ist fast jedem ein Begriff als die Stadt, in der Martin Luther im Jahre 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche genagelt hat. 35 Kilometer südöstlich liegt zwischen Elbe und Schwarzer Elster das Städtchen Annaburg. Der kleine Ort verfügt über ein Schlossensemble, das in Erstaunen versetzt. Die Anlage gilt als eines der Hauptwerke der sächsischen Schlossbaukunst der Renaissance. Erbaut wurde das Ensemble in seiner heutigen Form zwischen 1572 und 1575 von Kurfürst August I. von Sachsen und seiner Gemahlin, Prinzessin Anna von Dänemark und Norwegen. Eines der historischen Bauwerke beherbergt heute die Grundschule Annaburg. Nach neuer Dacheindeckung, neuen Fenstern und umfangreichen Spenglerarbeiten wurde nun auch die reich verzierte, aber stark beschädigte Putzfassade des villenartigen Massivbaus detail- und originalgetreu wieder hergestellt.
Vom italienischen Stil beeinflusst

Das denkmalgeschützte, unterkellerte Gebäude aus Vollziegelmauerwerk gliedert sich in Unter- und Obergeschoss und ein nicht ausgebautes Dachgeschoss. An den Giebelseiten befindet sich jeweils ein Treppenhaus, wobei jenes auf der Nordseite aus brandschutztechnischen Gründen im Jahre 2011 durch ein größeres ersetzt wurde. Der neue Treppenaufgang wurde im Außenbereich wieder an die historische Putzfassade angepasst.
In Anlehnung an italienische Baukunst zeigt die reich verzierte und gegliederte Fassade aus Putz geformte Pilaster, Gesimse und Bossierungen, Bekrönungen über den Fenstern und im Leibungsbereich sowie säulenartige Elemente. Das Traufgesims besteht aus zusammengesetzten, profilierten Holzbrettern. Auch zieren zahlreiche Terrakotta-Elemente die Fassade – in verschiedenen Größen als Konsolen der Dachtraufe, als Kapitelle der Pilaster im Obergeschoss, als Wappen über der Balkontür, als Säule auf der Südseite, als Balkonbalustrade sowie als seitliche Schmuckpilaster am Vorbau.
Schäden waren größer, als erwartet

Ziel der Sanierungsarbeiten war es, die kunstvoll und reich verzierte Fassade der Grundschule möglichst detail- und originalgetreu wieder herzustellen. Auch wenn vor Beginn der Arbeiten großflächige Putzabplatzungen und lose Putzflächen, verursacht sowohl durch aufsteigende als auch eindringende Feuchtigkeit, nicht zu übersehen waren, so sollten, wenn möglich, die noch intakten Altputzbestände erhalten bleiben. Besonders aber die zu DDR-Zeiten auf die weicheren Altputzbestände aufgebrachten Kalk-Zement-Putze zeigten zwischen den Fenstern und an den Bossierungen Rissbildungen, in die über Jahre hinweg Feuchtigkeit eingetreten war. Zur weiteren Verschlechterung des Fassadenzustandes trugen bis zu 14 Farbanstriche auf Dispersionsbasis bei. Deutliche Spuren hinterließen auch die einst defekten Fallrohre und Dachrinnen. Ungeschützt der Witterung ausgesetzt, konnte das Sockelgesims ebenfalls nicht gerettet werden.

Im oberen Fassadenbereich präsentierten sich jedoch die Bekrönungen über den Fenstern, das Zierband unter den Fenstern sowie Gesimse und Pilaster in vergleichsweise gutem, zum Teil unversehrtem Zustand, da diese durch Verblechungen oder ausreichend vorstehende Fensterbänke geschützt waren. „Nach restauratorischen Befunduntersuchungen, zahlreichen Probenentnahmen und letzter Bestandsaufnahme nach der kompletten Einrüstung des Gebäudes musste festgestellt werden: Der gesamte Altputz muss entfernt werden und nur die nicht geschädigten Zierelemente, wie Bekrönungen über den Fenstern, teilweise Gesimse und die Gipsreliefs unter den Fenstern, können an der Fassade verbleiben“, erklärt Dipl.-Ing. Veronika Leder vom Ingenieurbüro für Bauplanung und Bauüberwachung Schmidt und Partner aus Jessen.
Putz wurde neu aufgebaut
„Ganz oder gar nicht“ lautete nun das Motto der umfangreichen Sanierungsarbeiten an der Fassade. Nach der Entfernung des Altputzes und des mürben Fugenmörtels sowie der sorgfältigen Reinigung der Vollziegelfassade im Druckluftverfahren verfolgte das Sanierungskonzept beim Putzneuaufbau unterschiedliche Wege.
Weil die Putzflächen im Sockelbereich bis zu 90 Prozent durch aufsteigende Feuchtigkeit, Salzausblühungen und Schimmelpilzbefall zerstört waren, entschied man sich in diesem stark geschädigten Bereich für ein Sanierputzsystem, das im Spritzbewurf aufgetragen wurde und einlagiger Sanierputzschicht in 25 mm Dicke. Es soll Ausblühunhen, auch in den Fallrohrbereichen in Zukunft verhindern. Aufgrund der schweren Schädigung im Sockelbereich ging den Putzarbeiten eine horizontale Bauwerksabdichtung im Injektionsverfahren knapp über der Geländeoberkante voraus.

An der übrigen, glatten Fassadenfläche kam ein Kalkputzsystem zum Einsatz. Dem netzförmig aufgebrachten Spritzbewurf folgte eine Bischichtung mit mittlerem Kalkputz und als letzte Beschichtung ein feiner Kalkputz, hergestellt als Sonderrezeptur nach Befund. „Die Übergänge zwischen Kalkputz- und Sanierputzsystem durften nicht sichtbar sein. So wurden die Putzsysteme nass in nass aneinander gearbeitet und die Körnung entsprechend eingestellt“, erklärt Bauberater Frank Eulenstein.
Hochwertige Stukkateurarbeit
Parallel zu den Putzarbeiten wurden die zahlreichen Zierelemente an der Fassade vom Baubetrieb Voigtländer GmbH aus Oschatz wiederhergestellt. So wurden die Gesimse direkt am Gebäude neu gezogen und wieder angearbeitet. Ebenso konnten die Spiegelflächen unter den Fenstern im Erdgeschoss und die Fensterbekrönungen über den Fenstern im ersten Obergeschoss ergänzt und wieder hergestellt werden. Diese Vorgehensweise gilt für alle Fassadenverzierungen, die Fehlstellen aufwiesen. Eine besondere Herausforderung stellte laut Veronika Leder auch die Erneuerung der Bossierungen dar: „Die Nuten der stark ausgebildeten Bossenstruktur, die zusätzliche Akzente in den Eckbereichen des Bauwerkes setzt, und die der flacheren Bossen an der übrigen Fassadenfläche des Erdgeschosses mussten im Verbund ausgebildet und wieder hergestellt werden.“ Besonderer Aufmerksamkeit bedurften auch die Faschen und Leibungen, die mit großer Sorgfalt wieder an die Fenster angearbeitet wurden.
Kontrast wurde erhalten
Der einfarbige Anstrich wurde nach historischem Befund wiederhergestellt, er steht, wie zuvor im Kontrast zu den übrigen Bauwerken des Schlossensembles Annaburg. Auch die gereinigten Terrakotta-Elemente sowie das reparierte Traufgesims aus zusammengesetzten, profilierten Holzbretten, wurden im Farbton der Fassadenfarbe gestrichen. Um die Schönheit und Unversehrtheit des Gebäudes möglichst lange zu erhalten, schützen heute neue Abdeckungen aus Zinkblech die umlaufenden Gesimse, die Bekrönungen über den Fenstern sowie sämtliche Fensterbänke.