Nach mehrjähriger Betriebszeit musste die zentrale Kühlwasserleitung in einem großen Schweizer Krankenhaus saniert werden. (Quelle: Armacell)

Bauwerkserhaltung 12. July 2023 Operation am offenen Herzen

Thema des Monats Juli: Korrosionsschutz und Dämmung einer großen kältetechnischen Anlage bei laufendem Betrieb ohne Bypass-Leitungen sanieren? Unmöglich! Mit einem von Armacell entwickelten Konzept ist das in einem Schweizer Krankenhaus jetzt erfolgreich gelungen.

Krankenhäuser sind die komplexesten Gebäudetypen und ein zuverlässiger Betrieb der technischen Anlagen ist von zentraler Bedeutung. Anders als in Betriebsgebäuden, in denen Stillstandzeiten zur Wartung von Maschinen genutzt werden können, laufen die gebäudetechnischen Anlagen hier rund um die Uhr. In Krankenhäusern sorgt die Kältetechnik nicht nur für ein angenehmes Raumklima auf den Stationen, auch Beatmungsgeräte benötigen für ihren störungsfreien Betrieb eine entsprechende Kühlung. Die Kälteversorgung gewährleistet die Schaffung der in Operationssälen und pathologischen Kühlräumen notwendigen Temperaturen. Kühlung ist zudem erforderlich für den Betrieb zahlreicher medizinisch-technischer Anlagen sowie zur Lagerung temperaturempfindlicher Arzneien. Hinzu kommt der Kühlbedarf in IT-Bereichen, in denen Rechneranlagen eine große Wärmeentwicklung verursachen.  

Korrosion unter der Dämmung

(3) Nach Entfernen der Dämmung zeigten sich erhebliche Schäden am Korrosionsschutz der Leitung: Es war bereits zu Schichtablösungen und lokaler Rostbildung gekommen. (Quelle: Armacell)

In einem großen Schweizer Krankenhaus wird der Kältebedarf in einer zentralen Anlage mit Kaltwasser mit einer Vorlauf-Temperatur von 6 °C (Rücklauf: 12 °C) erzeugt. Von der Kältezentrale werden alle medizinische Anlagen, Serverräume und Krankenzimmer mit Kälte versorgt. Die Kälteleistung soll in den kommenden Jahren von 4,5 MW auf 6 MW ausgebaut werden.

Anstelle eines mehrlagigen Korrosionsschutzes waren die Leitungen mit einer einlagigen Zinkstaubgrundierung versehen worden, die sich nun löste. (Quelle: Armacell)

Nach mehrjähriger Betriebszeit war es jedoch auf bestehenden Kühlwasserleitungen zu Tauwasserbildung gekommen und nach Entfernen der Dämmung wurden Schäden am Korrosionsschutz entdeckt. Das Stahlrohr mit einem Durchmesser von DN 400 zeigte bereits erhebliche Schichtablösungen und lokale Rostbildung. Wie die folgende Untersuchung ergab, war der Korrosionsschutz nicht sachgemäß ausgeführt worden. Anstelle eines mehrlagigen Korrosionsschutzes waren die Leitungen mit einer einlagigen Zinkstaubgrundierung versehen worden, die als temporärer Korrosionsschutz, nicht aber als Langzeitschutz genügt. Zudem war offensichtlich feuchte Luft an die kalte Rohroberfläche gelangt und Kondenswasser entstanden. Die Kälteschellen waren nicht dämmtechnisch überbaut worden, so dass hier möglicherweise feuchte Luft eingedrungen war. Da keine Abschottungsverklebungen vorgenommen worden waren, konnte sich die Feuchtigkeit in der Dämmung ausbreiten und an die Rohroberfläche gelangen.

Hoher Kältebedarf in Krankenhäusern

Krankenhäuser sind die komplexesten Gebäudetypen und sehr energieintensiv. Der durchschnittliche Energieverbrauch in deutschen Krankenhäusern beträgt rund 6.000 kWh Strom und 29.000 kWh Wärme – pro Bett und Jahr. Damit ist der Energiebedarf pro Krankenhausbett größer als der eines Einfamilienhauses. Rund 70 Prozent des Gesamtenergieeinsatzes deutscher Krankenhäuser entfallen auf die Wärmeerzeugung, 30 Prozent gehen zu Lasten von elek­tri­scher Energie. Da Strom relativ betrachtet jedoch bis zu viermal teurer als Gas ist, fallen die absoluten Kos­ten zu 65 Prozent auf den ele­k­tri­schen Strom. In der Tat verbraucht ein großes Krankenhaus in etwa so viel Strom wie eine Kleinstadt. Spitzenreiter beim Energieverbrauch sind Klima- und Lüftungsanlagen: Sie benötigen bis zu 40 Prozent des Strombedarfs. Eine professionelle Dämmung der technischen Anlagen ist eine der einfachsten und kostengünstigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz in Krankenhäusern.

Innovatives Sanierungskonzept bei laufendem Betrieb

Die zentralen Kälteleitungen laufen in Korridoren im Untergeschoss des Klinikums (Quelle: Armacell)

Die Schäden konnten nur im Rahmen einer umfassenden Sanierung behoben werden. Der Umstand, dass der Betrieb des Kühlsystems während der Maßnahme aufrechterhalten werden musste, kommt einer Operation am offenen Herzen gleich. Die fast einen Kilometer langen Leitungen verlaufen in Korridoren im Untergeschoss des Gebäudes. Gemeinsam mit dem verantwortlichen Anlagenbauer entwickelte Armacell ein Sanierungskonzept, das es trotz der schwierigen Rahmenbedingungen erlaubte, auf die Installation einer provisorischen Bypass-Leitung zu verzichten, die bauliche Veränderungen wie zum Beispiel Mauerdurchbrüche und Kernbohrungen erfordert hätte. Dabei sollte der Taupunkt durch Absenken der Raumtemperatur und / oder Reduktion der relativen Luftfeuchte soweit verschoben werden, dass auf der Rohroberfläche kein Tauwasser ausfällt. Kann die Raumtemperatur auf 15 °C abgesenkt und die Raumluft auf beispielsweise 40 Prozent relativer Luftfeuchte gebracht werden, dann liegt der Taupunkt nur noch bei 1,5° C, was die Beschichtung von Rohren mit einer Oberflächentemperatur von ca. 5 °C erlaubt. Bei einer Raumtemperatur von 20 °C muss die relative Luftfeuchte dagegen auf 30 Prozent gesenkt werden, um eine Kondensation auf den Oberflächen sicher zu vermeiden und einen Korrosionsschutz aufbringen zu können.

Mehrschichtiger Korrosionsschutz- und Dämmaufbau

Nach dem Auftragen des Korrosionsschutzes und einer eine Dampfsperre aus Aluminum-Folie konnte die Dämmung installiert werden. (Quelle: Armacell)

Geplant war ein mehrschichtiger Korrosionsschutz- und Dämmaufbau, der nach einer erfolgreichen Testinstallation und Rücksprache aller Beteiligten umgesetzt wurde. Dementsprechend wurde die Leitung nach Entfernen der Dämmung zunächst gründlich gereinigt und die sich ablösende Zinkstaubbeschichtung abgebürstet. Um die Oberflächentemperatur unter die Taupunkttemperatur zu bringen und das Entstehen von Tauwasser auf der Oberfläche zu vermeiden, sorgten Ventilatoren für zusätzliche Konvektion und bei hoher Luftfeuchtigkeit wurden zudem Luftentfeuchter eingesetzt. Nach der Reinigung und Trocknung der Rohrleitung wurde eine Korrosionsschutzmasse auf Basis von Petrolatum auf der Leitung aufgebracht, die speziell für die Beschichtung von kalten Rohrleitungen geeignet ist. Vervollständigt wurde der Korrosionsschutz dann mit einer sogenannten Fettbandage, einem Korrosionsschutz-Band auf Basis von Petrolatumen, das überlappend in zwei Lagen installiert wurde. Die Rohrschellen wurden ebenfalls mit der Fettbandage umwickelt. Vor und hinter den Kälteschellen wurde ein besonders belastbares coextrudiertes Dreischichtband überlappend unter Zug aufgebracht. Als Untergrund für die nachfolgende Dämmung wurde anschließend eine Dampfsperre aus Aluminum-Folie installiert.

Keine Kompromisse beim Brandschutz

Bei der Wahl des Dämmstoffs war das Brandverhalten des Materials entscheidend. Bei Ausbruch eines Brands ist die Gefährdung von Leben und Gesundheit in einem Krankenhaus deutlich höher als in anderen öffentlichen Gebäuden. Nirgendwo ist die Räumung des Gebäudes so problematisch wie in Pflegeeinrichtungen. Zum hohen Publikumsverkehr kommen hilfsbedürftige Patienten mit eingeschränkter Mobilität, die evakuiert werden müssen. Zudem verursachen Schäden an medizinischen Geräten schnell Kosten in Millionenhöhe. Ganze Stationen können über Monate ausfallen. Im schlimmsten Fall kann die komplette Funktionsfähigkeit auf dem Spiel stehen und die medizinische Versorgung des Einzugsbereichs gefährdet werden. Nach einer Schadensstatistik ist Feuer die größte Gefahr im Krankenhaus: Etwa 34 Prozent aller Schäden werden durch Brände verursacht. Die Projektleitung entschied sich daher für den Einsatz von einem elastomeren Dämmstoff mit der Brandklasse BL-s1, d0.

Geringe Rauchdichte im Brandfall lebensentscheidend

Während Baustoffe in der Vergangenheit vorrangig nach ihrer Flammwidrigkeit klassifiziert wurden, berücksichtigt die europäische Brandklassifizierung heute auch die Rauchentwicklung und das brennende Abtropfen und erlaubt so eine realistischere Beurteilung des Brandverhaltens technischer Dämmstoffe. Vom Rauch geht ein ungleich höheres Gefahrenpotenzial als vom Feuer selbst aus und bei Ausbruch eines Feuers in einem Krankenhaus kann eine geringe Rauchdichte Leben retten.

Mit Armaflex Ultima hat Armacell einen neuen Sicherheitsstandard in der technischen Isolierung geschaffen. Die auf der patentierten Technologie basierende Schaumqualität ist die weltweit erste flexible technische Dämmung mit der Brandklasse BL-s1, d0 und bietet damit eine hohe Sicherheit im Brandfall. Im Vergleich zu einem Standard-Elastomerprodukt weist das Schaummaterial eine 10-mal geringere Rauchentwicklung auf. Indem es im Brandfall die Rauchdichte erheblich mindert, verbessert es im Brandfall die Sichtbarkeit und verlängert so die Zeit, ein Gebäude sicher zu evakuieren.

Erfolgreiche Umsetzung

Die rund 300 Rohrträger wurden anschließend überbaut. (Quelle: Armacell)

Neben der rund 900 Meter langen Leitung (DN 400) mussten 16 Schwingungsdämpfer, 12 Klappen, 40 Armaturen, 50 Bogen und rund 300 Rohrschellen gedämmt werden. Insgesamt installierten die Isolierer rund 1500 Quadratmeter Platten in einer Dämmschichtdicke von 25 Millimetern. Daneben kamen Platten in geringeren Dämmschichtdicken und circa 250 Meter Schläuche in einer Isolierstärke von 19 Millimetern zum Einsatz. Die Platten wurden vollflächig verklebt und die Nähte zusätzlich mit einem selbstklebenden Band gesichert.

Wenige Monate nach Start der Sanierungsmaßnahme wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen.

Autorin:
Dipl.-Ing. Michaela Störkmann, Armacell Technical Manager EMEA

zuletzt editiert am 12.07.2023