Am 11. September ist ein Zug der Dresdner Carolabrücke eingestürzt. Vor Kurzem hat das von der Stadt Dresden mit der Ursachenforschung beauftragte unabhängige Büro von Prof. Steffen Marx eine erste gutachterliche Stellungnahme abgegeben.
Zunächst hatten Presseberichte über angeblich durch die Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Dresden ignorierte Gutachten zum Zustand der Carolabrücke vor dem Einsturz für Diskussionen gesorgt. In einem Schreiben, das am Anfang November an Oberbürgermeister Dirk Hilbert übermittelt wurde, informiert Prof. Marx über den aktuellen Stand der Ursachenforschung. Fazit: Die Ursache ist „sehr wahrscheinlich Spannungsrisskorrosion der Spannglieder“, die bereits beim Bau der Brücke initiiert wurde. Dies hatte Prof. Marx schon kurz nach dem Einsturz als eine mögliche Ursache in Betracht gezogen. Zum Zeitpunkt des Baus war diese Korrosionsart unbekannt. Zugleich zeige nach heutiger Kenntnis der verwendete Spannstahl eine hohe Gefährdung für diese Korrosionsform. „Der Einsturz ohne Vorankündigung muss zu einer Überprüfung und Nachjustierung der Beurteilungsmethodik von Brücken mit ähnlicher Konstruktion und Bauzeit führen.“
Schaden wahrscheinlich bereits beim Bau initiiert

In seinem Schreiben an Oberbürgermeister Dirk Hilbert betont Prof. Steffen Marx, dass sein Büro einer sehr großen Breite denkbarer Ursachen für den Einsturz der Carolabrücke nachgeht. Wörtlich heißt es: „Mittlerweile lässt sich die Hauptschadensursache sehr klar eingrenzen. Der Brückeneinsturz ist mit hoher Gewissheit auf ein Versagen des großen Kragarms über dem Pfeiler D zurückzuführen. Das Versagen des Querschnitts wurde sehr wahrscheinlich hauptsächlich durch so genannte Spannungsrisskorrosion der Spannglieder verursacht, welche bereits beim Bau der Brücke initiiert wurde und die sich dann über viele Jahre im Inneren der Brücke unsichtbar von außen und weitgehend unabhängig von oberflächlichen Schadensbildern vollzog.“
Schaden nur per Schallemissionsmessung zu entdecken
„Die Spannungsrisskorrosion bei Spannstahl war zum Zeitpunkt des Baus unbekannt. Der verwendete Spannstahl zeigt jedoch nach heutiger Kenntnis eine außerordentlich hohe Gefährdung für diese Korrosionsform. Die einzige Möglichkeit, diesen Schädigungsprozess zu entdecken und sicher beurteilen zu können, ist die sogenannte Schallemissionsmessung. Deswegen wurde nach dem Einsturz von Brückenzug C eine Messanlage im noch stehenden Brückenzug A installiert. Eine Installation in Brückenzug B ist zeitnah geplant.“
In den Presseberichten war unter anderem von einer im April 2024 festgestellten fortgeschrittenen Korrosion der Bewehrungsstähle zu lesen. So schrieb die Bild-Zeitung: „In einem weiteren Gutachten vom 15. April 2024 – durchgeführt im Auftrag der Stadt durch die Firma Saxotest – wurde festgestellt, dass die Korrosion an einigen Stellen so weit fortgeschritten sei, „dass der Querschnitt der Bewehrungsstähle erheblich reduziert wurde“. Im Klartext: die Spannstahl-Stäbe der Konstruktion waren teils komplett weggegammelt. Die Chlorid-Werte überschritten die zulässigen Grenzwerte teilweise um das Zehnfache. Folge: eine ernsthafte Gefährdung der Brückenstruktur. Die festgestellte fortgeschrittene Korrosion wurde als „sehr kritisch“ eingestuft.“
Im genannten Gutachten wurde die Spannbewehrung nicht untersucht
Zu den Chloridwerten und dem Zustand der Bewehrungsstähle schreibt Professor Marx, der auch Direktor des Instituts für Massivbau an der Technischen Universität Dresden ist: „Es ist zutreffend, dass an einzelnen Messstellen zum Teil stark erhöhte Chloridwerte gemessen wurden, welche die zulässigen Werte deutlich überschreiten. An den betroffenen Stellen wurden konzentrierte Schäden an der Betonstahlbewehrung festgestellt, die auf chloridinduzierte Korrosion zurückzuführen sind. Aus den Schäden an der Betonstahlbewehrung ist keine Aussage über den Zustand des für die Tragfähigkeit maßgebenden Spannstahls möglich. Diese Aussage wurde im Gutachten gar nicht getroffen. Die Spannbewehrung wurde nicht untersucht.“
Die in einem Zeitungsartikel genannte „Gelenkdurchbiegung“ war nicht kritisch. Sie war bekannt, intensiv untersucht und wurde in der jüngeren Vergangenheit messtechnisch dauerüberwacht. Ebenso sei das Bauwerk fortlaufend bewertet und gepflegt worden. Die Spannungsrisskorrosion war damit jedoch nicht zu erkennen.
Zwischenbericht über Einsturzursachen kommt Mitte Dezember
Das Büro von Prof. Marx ist mit der Untersuchung der Ursachen des Einsturzes beauftragt. Im Rahmen dieser Ermittlung untersuchen die Experten alle möglichen Arbeitshypothesen und Ansätze. Die gutachterlichen Untersuchungen laufen derzeit auf Hochtouren, benötigen aber für einen Zwischenbericht noch bis Dezember. Dieser Bericht wird am Mittwoch, den 11. Dezember 2024, dem Ausschuss für Stadtentwicklung, Bau, Verkehr und Liegenschaften sowie der Öffentlichkeit und den Medien vorgestellt. Weitere Informationen >>>