Illustration eines Hauses im Wandel der Zeit von 1990 bis 2030 mit Fokus auf barrierefreien Umbau und energetische Sanierung.
Eine Möglichkeit, Wohnraum optimal zu nutzen: Nach dem Auszug der Kinder das Obergeschoss ausbauen und vermieten. (Quelle: Zukunft Altbau)

Gebäude + Energie 2025-11-06T11:31:06.450Z Mehr Wohnflächeneffizienz statt Neubau

In Deutschland wächst die Wohnfläche pro Kopf kontinuierlich. Das hat Folgen: Der steigende Flächen-, Baustoff- und Energiebedarf aufgrund neuer, meist großzügigerer Wohnungen und Häuser frisst die Fortschritte bei der Energieeffizienz wieder auf. Das Informationsprogramm Zukunft Altbau fordert deshalb, die Wohnflächeneffizienz zu verbessern.

Mit Wohnflächeneffizienz ist die bessere Nutzung der vorhandenen Wohnflächen gemeint – etwa durch Cluster-Wohnungen, Wohnungsteilungen nach dem Auszug der Kinder oder von bislang nicht genutztem Wohnraum im Keller oder Dach. 

Nach Angaben des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie ist der Raumwärmebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr von rund 250 Kilowattstunden im Jahr 1970 auf knapp 150 Kilowattstunden im Jahr 2020 gesunken – ein stolzes Minus von rund 45 Prozent. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf ist in diesem Zeitraum hingegen von rund 25 auf über 47 Quadratmeter gewachsen und hat sich damit fast verdoppelt. Auch in den vergangenen Jahren ist die Tendenz weiter steigend: Ende 2024 lag die Wohnfläche pro Kopf bei gut 49 Quadratmetern. Daher bleibt der Wärmebedarf pro Person nahezu konstant. 

Die Gründe für die steigende Wohnfläche sind vielfältig: Noch immer werden viele Eigenheime und große Wohnungen gebaut, gleichzeitig wohnen immer weniger Menschen in einem gemeinsamen Haushalt. Auch die Zahl der Ein-Personenhaushalte ist deutlich gestiegen. Doch es gibt vielversprechende Möglichkeiten, energie- sowie wohnflächeneffizient und trotzdem bedürfnisorientiert zu wohnen. 

Unsichtbaren Wohnraum nutzen 

Ein Ansatz ist der in vielen Gebäuden schlummernde, potenziell vermietbare Wohnraum, der nicht oder nur sporadisch genutzt wird – etwa die als Hobbyraum genutzte Einliegerwohnung im Einfamilienhaus oder der ausgebaute Dachstuhl mit Bad und Küchenzeile, der ehemals von den inzwischen ausgezogenen Kindern bewohnt wurde. Zu dem unsichtbaren, nicht genutzten Wohnraum gehören auch komplett leerstehende, nicht vermietete Wohnungen. Viele Eigentümer vermeiden es jedoch, ihre Wohnungen zu vermieten – etwa aus Angst vor zu viel Lärm. Auch Befürchtungen vor säumigen Mietern und den damit verbundenen Problemen und Kosten gehören zu den Gründen. Diese Sorgen führt dazu, dass Wohnraum leer steht. 

Wohnrauminitiativen vor Ort können dabei helfen, diese Bedenken auszuräumen und Sicherheit zu bieten. Sie bringen leerstehende Wohnungen dank Garantien und Mietbegleitung wieder an den Wohnungsmarkt. Ein Beispiel ist die „Kirchliche Wohnrauminitiative“ des Caritasverbands der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die seit ihrem Projektstart 2019 bereits 702 Wohnungen vermittelt und 1.794 Menschen mit Wohnraum versorgt hat. 

„Würden wir großflächig unsichtbaren Wohnraum nutzbar machen, gäbe es weniger Wohnungsnot und wir müssten deutlich weniger neu bauen“, sagt Frank Hettler von Zukunft Altbau. Das würde Energie einsparen und die voranschreitende Flächenversiegelung reduzieren. 

Einfamilienhäuser aufteilen und Cluster-Wohnungen 

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Einfamilienhäuser aufteilen. Wo früher größere Familien zusammen wohnten, teilen sich inzwischen oft nur noch zwei Personen die große Wohnfläche, manches dieser Häuser wird über Jahre sogar nur von einer Person bewohnt. In vielen Fällen kann in diesen Häusern durch wenige Umbaumaßnahmen, für die es staatliche Förderprogramme gibt, eine zweite Wohnung abgeteilt werden. Gerade für ältere Menschen kann das eine große Entlastung oder sogar eine Bereicherung sein. Sie haben weniger Wohnfläche, um die sie sich kümmern müssen, zahlen weniger Energiekosten und gewinnen neue Hausnachbarn hinzu. 

Ein anderes Beispiel sind Cluster-Wohnungen: „Sie sind eine Kombination aus Wohngemeinschaft und Kleinstwohnung“, erklärt Hettler. „Meist bestehen sie aus mehreren kleinen Wohnungen innerhalb eines Gebäudes mit kleinem Bad und Küche, die sich zusätzlich gemeinschaftlich genutzte Räume teilen, beispielweise ein großzügiges Wohnzimmer und eine gut ausgestatte Gemeinschaftsküche. Auch ein komfortables Gästezimmer, ein echter Fitnessraum oder ein gemeinsam genutzter Home-Office-Raum sind denkbar.“ So stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern Räumlichkeiten zur Verfügung, die sie sich einzeln nicht leisten könnten. Mehrere der kleinen Wohnungen bilden dann eine abgeschlossene Wohneinheit. 

Cluster-Wohnungen sorgen für mehr Vielfalt im Wohnungsangebot: Menschen brauchen in unterschiedlichen Lebenssituationen unterschiedlich viel Raum. In Cluster-Wohneinheiten können Wohnungen je nach Größenbedarf relativ einfach angepasst oder getauscht werden. Damit kann die Pro-Kopf-Fläche und der damit einhergehende Energieverbrauch reduziert werden. In ihnen lebt es sich außerdem komfortabel, die Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner in den bisherigen Projekten ist hoch.  

Fazit: Veränderung im Denken statt Neubau nötig 

Die Politik hat inzwischen erste Schritte gemacht, solche Wohnmodelle zu unterstützen. Dazu zählen eine einfachere Umwidmung von Gewerbeflächen oder weniger Hürden für Aufstockungen. Trotzdem sind noch weitere Maßnahmen nötig, um mehr Menschen für neue Modelle der Wohnraumnutzung zu gewinnen. 

Experten wie Patrick Zimmermann vom ifeu-Institut Heidelberg gehen davon aus, dass rund achtzig Prozent der angestrebten 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr außerhalb von Neubauten entstehen könnten, wenn neue Wohnkonzepte und die Aktivierung des Wohnungsleerstands konsequent umgesetzt würden sowie unsichtbarer Wohnraum besser erschlossen würde. Weitere Informationen >>>

zuletzt editiert am 06. November 2025