Holz-Beton-Verbund-Konstruktionen sind schon seit einigen Jahren eine zwar teure, aber dafür nachhaltige Alternative zu Stahlbeton. Die Hochschule Koblenz hat nun eine noch umwelt- und klimafreundlichere Verbund-Variante entwickelt: Bei dieser wird der Beton durch Granit ersetzt.
Bei sonnigem Wetter und akzeptablen Temperaturen nutzen Studierende der Hochschule Koblenz zum Essen neuerdings einen über sechs Meter langen Stehtisch im Außenbereich der Mensa. Das auffallende Möbelstück hat noch eine weitere Funktion: Es ist der bislang weltweit einzige Prototyp einer hybrid konstruierten Brücke in Holz-Granit-Verbundbauweise und wird weiterhin für das vom Bundesbildungsministeriums (BMBF) über die Dauer von vier Jahren geförderte Projekt Hybridkonstruktionen in Holz-Granit-Verbundbauweise (HGV) genutzt. Partner sind die Kusser Granitwerke GmbH, die Schaffitzel Holzindustrie GmbH + Co. KG und das Ingenieurbüro Miebach. Die Aufstellung des Holz-Granit-Verbundträgers wurde durch die Fertigbau Lindenberg Otto Quast GmbH & Co. KG und den Freundeskreis der Hochschule unterstützt.
Ökologische Aspekte wie die nachhaltige Produktion und Langlebigkeit von Baustoffen wie auch die absehbaren Wartungskosten spielen bei der Planung von Bauwerken eine immer größere Rolle. Vor diesem Hintergrund hat die Hochschule Koblenz im Rahmen des Forschungsprojektes ein statistisch abgesichertes Bemessungskonzept für eine Verbundbauweise aus Granit und Holz entwickelt, die insbesondere für Geh- und Radwegbrücken oder stark genutzte Bereiche in Gebäuden infrage kommt. „Das von uns erforschte System ist den gängigen Verbundbauweisen Stahl und Beton beziehungsweise Holz und Beton ökologisch und ökonomisch überlegen“, erklärte Prof. Tim Göckel, der seit 2015 im Fachbereich bauen-kunst-werkstoffe der Hochschule Koblenz die Professur für Ingenieurholzbau und Konstruktive Grundlagen im Bauwesen innehat. Er leitet das Forschungsteam gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Andreas Laubach.
Granit übernimmt den Witterungsschutz
Ausgangspunkt der Forschungsarbeit war die Feststellung, dass Holz als nachwachsender Baustoff in den letzten Jahren immer beliebter geworden ist, jedoch vor Witterungseinflüssen geschützt werden muss. „Die industriell gefertigten Baustoffe Beton und Stahl werden bislang gerne als Verbundmaterial genutzt, haben jedoch eine wesentlich schlechtere Kohlenstoffdioxidbilanz als der Naturstoff Granit“, so Göckel. Granit an sich ist bisher als rein tragendes Baumaterial nur begrenzt einsetzbar, entfaltet jedoch neue Möglichkeit, wenn es mit Holz kombiniert wird. Durch den Einsatz des Holzes als leistungsstarkes Element im Biegezugbereich lässt sich das Eigengewicht der Gesamtkonstruktion erheblich reduzieren. Gleichzeitig übernimmt der im Biegedruckbereich materialgerecht verbaute Granit, der auch Einwirkungen wie Streusalz gegenüber unempfindlich ist, den erforderlichen Witterungsschutz für das Holz.
Ziel des Forschungsprojekts war es, ein Verbundmittel zu entwickeln, um den Granit und das Holz schubfest miteinander zu verbinden. Außerdem wurden die einzelnen Materialeigenschaften bestimmt mit dem Ziel, auf dieser Grundlage das entwickelte Verbundmittel sowie die Dimensionen der einzelnen Bauteile sicher und wirtschaftlich berechnen zu können. Zu den besonderen Erkenntnissen des Projekts gehört das Wissen, wie sich bei Werkstoffen wie Granit – die im Gegensatz zu Beton nicht fließfähig sind – mittels Klebe- oder Schraubverbindungen oder auf andere Weise eine tragfähige Verbindung mit Holz herstellen lässt. Für den Einsatz der metallischen Verbindungen konnten die Forschenden auf die Unterstützung von Prof. Dr. Robert Pandorf aus der Fachrichtung Maschinenbau zurückgreifen.
Die von Studierenden und Mitarbeitenden als Stehtisch genutzte Holz-Granit-Verbundbrücke dient weiterhin als Forschungsobjekt, beispielsweise um das Verhalten des Materials bei Wintereinbruch zu messen. Darüber hinaus gibt es auch schon erste Anfragen für weitere Umsetzungen von Holz-Granit-Verbundbrücken: Eine Kommune in Bayern hat zwei Fußgängerbrücken mit einer Spannweite von jeweils 25 Metern bei einem der Kooperationsunternehmen bestellt.
Im Verlauf des Projekts und auch darüber hinaus konnten durch Göckel und Laubach unterschiedliche studentische Forschungs- und Abschlussarbeiten betreut und in die Forschung integriert werden. Insbesondere sind dabei die beiden Promotionsvorhaben der Projektmitarbeiter Florian Walgenbach-Albat und Paul Dreifke zu nennen. Walgenbach-Albats Dissertation zum Thema „Technologie der Schubverbundfugen von Holz-Naturstein-Verbundkonstruktionen“ wird im Rahmen einer kooperativen Promotion gemeinsam mit dem Fachgebiet Verbundstrukturen der Technischen Universität Berlin unter Leitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Volker Schmid durchgeführt. In gleicher Konstellation befasst sich Dreifke mit dem Themenkomplex „Berechnung von Holz-Beton-Verbundträgern unter Berücksichtigung des mehrdimensionalen Tragverhaltens“ mit weiterführenden Aspekten des Verbundmittels. Weitere Informationen >>>