Menschen bepflanzen einen Dachgarten in einer städtischen Umgebung mit einem Turm im Hintergrund.
Forscher auf dem Dach des Gewandhauses zu Leipzig beim Einsetzen der Sensoren (Quelle: Dr. Ulf Trommler/HTWK Leipzig)

Nachhaltigkeit 2025-10-09T08:48:20.006Z Gewandhausdach als Forschungslabor

Das Leipziger Gewandhaus ersetzt die Kiesflächen auf seinem Flachdach teilweise durch Dachbegrünung und will so einen Beitrag für eine klimaresilientere Stadt leisten. Um Maßnahmen zum Erhalt der Pflanzen zu erproben und Erkenntnisse über das Management von Gründächern zu gewinnen, arbeitet das Konzerthaus eng mit Forschungseinrichtungen zusammen.

Zu den Einrichtungen gehören Forschende der HTWK Leipzig, des Forschungs- und Transferzentrums Leipzig (FTZ) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Die Forschenden waren im Frühjahr dieses Jahres dabei, als die bisherigen Kiesflächen auf dem Dach durch ein Gründach ersetzt wurden. Unter der Leitung von Dr. Martin Weisbrich von der Forschungsgruppe „Sensorik und Monitoring“ vom Institut für Betonbau der HTWK Leipzig verlegten sie parallel faseroptische Messtechnik in mehreren Ebenen und Schleifen an einem Versuchsfeld mit einer Größe von etwa 150 Quadratmetern. Anschließend wurde das Gründach bepflanzt. 

Trockenheit rechtzeitig erkennen 

„Die Methode erlaubt es, über lange Zeiträume Temperaturen im Gründach kontinuierlich und vor allem ortspezifisch zu erfassen. Sie liefert Rückschlüsse zur Feuchte und zum Zustand des Gründachs, was sonst nur durch aufwändige Begehung durch Sachkundige möglich wäre“, so der promovierte Bauingenieur. Zukünftig sollen die Informationen des Messsystems jederzeit abrufbar sein, sodass beispielsweise im Falle von Trockenheit die Pflanzen zeitnah bewässert werden – nicht nach dem Gießkannen-Prinzip, sondern genau dort, wo das Substrat zu trocken ist. 

 „Die Messungen im Substrat des Gründachs können wir durch drohnengestützte Aufnahmen mit einer Wärmebildkamera ergänzen und so wichtige Zusammenhänge zwischen Volumen- und Oberflächentemperaturen ableiten“, erläutert Weisbrich. Diese Korrelation ist bislang nicht möglich und die meisten Aussagen zu Gründächern resultieren bisher aus Infrarotaufnahmen, die nur die Oberfläche abbilden können. Um Gründächer in ihrer wichtigen Funktion beurteilen und schließlich für die vielfältigen möglichen Anwendungen optimieren zu können, sind diese Kenntnisse unverzichtbar. 

Kenntnisse über Gründächer gewinnen

Ein Schnurgerüst im Gartenbau, das mit einer roten Schnur und einem weißen Pfosten präzise ausgerichtet wird.
Die Sensoren messen die Temperatur im und auf dem Substrat (Quelle: Dennis Messerer/HTWK Leipzig)

„Das Gewandhaus ist wesentlicher Bestandteil des kulturellen Lebens in Leipzig. Wir möchten auch über die Kultur hinaus zu einer lebenswerten Stadt beitragen. Deswegen haben wir, mit Unterstützung des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig, auf unserem Flachdach naturnahe Grünflächen errichtet“, so Toni Schlesinger, technischer Leiter des Gewandhauses. Daher ermöglicht das Gewandhaus zu Leipzig auch zukünftig, das Gründach für Forschungsarbeiten zu nutzen, um Kenntnisse über das Anlegen und die Pflege bepflanzter Dächer im urbanen Raum zu sammeln. 

Bei der Projektgestaltung und Umsetzung unterstützte der „Leipziger Gründach Think Tank“, in dem sich Akteure aus dem Gartenbau, der Forschung und kommunalen Behörden auf Initiative des UFZ und des Amtes für Umweltschutz der Stadt Leipzig vor einigen Jahren zusammengeschlossen haben. „Gründächer sind ein wichtiger Bestandteil von zukunftsfähigen Städten, die auch unter den Bedingungen des Klimawandels lebenswerte Bedingungen bieten können. Aus diesem Grund forschen wir am UFZ zu Funktionen von Gründächern, zur Resilienz gegenüber Temperatur- und Feuchteschwankungen oder zum Abbau von Schadstoffen durch die Bepflanzung“, erklärt Dr. Lucie Moeller, Umweltbiotechnologin am UFZ. 

Das nächste gemeinsame Forschungsprojekt haben die Beteiligten bereits im Auge: Im Projekt ValiGrün werden sie unter der Leitung des UFZ insbesondere mikroklimatische Effekte erforschen und dafür das Gründach des Gewandhauses als Forschungslabor nutzen. Zusammen mit der HTWK Leipzig, der Technischen Universität Dresden und dem Leipziger Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) untersucht das UFZ dabei, wie gut sich blau-grüne Infrastrukturen wie Gründächer für eine Anpassung an das Klima eignen und wie sich ihre Funktionen im städtischen Raum verbessern lassen. 

Methode aus dem Bauwerksmonitoring 

Die auf dem Gründach des Gewandhauses eingesetzte faseroptische Messmethode wurde bisher an der HTWK Leipzig und am UFZ in zwei anderen Feldern angewandt: Zum einen, um Bauwerke zu überwachen und Risse oder statische Probleme zu detektieren; zum anderen, um unter dem Einfluss elektromagnetischer Felder wie bei Radiowellen-Erwärmungsprozessen die Temperatur zu erfassen. Eine finanzielle Förderung aus dem transfun®-Innovationsprogramm des UFZ ermöglichte es einer gemeinsamen UFZ/HTWK-Arbeitsgruppe, zu testen, ob sich die Messtechnik auch für den Einsatz in blau-grünen Infrastrukturen eignet. Diese gewinnen im Zuge der Anpassungsbemühungen der Städte an den Klimawandel mehr und mehr an Bedeutung. Erste, erfolgreich absolvierte repräsentative Messaufgaben, etwa an einer begrünten Hausfassade in Leipzig und am experimentellen Gründachsegment des UFZ waren für das UFZ/HTWK-Team unter Leitung von Dr. Ulf Roland dann der Anstoß, das Wissen auf blau-grüne Infrastrukturen zu übertragen. Weitere Informationen >>>

zuletzt editiert am 09. Oktober 2025