Die Fraunhofer-Allianz Bau zeigt auf der BAU 2023 Produkte und Systemlösungen für eine nachhaltige, digitale und bezahlbare Bauwirtschaft.
Die Fraunhofer-Allianz Bau zeigt auf der BAU 2023 Produkte und Systemlösungen für eine nachhaltige, digitale und bezahlbare Bauwirtschaft. (Quelle: Fraunhofer-Allianz Bau)

Bauwerkserhaltung

9. February 2023 | Teilen auf:

Fraunhofer-Allianz Bau auf der BAU

Wie sieht das Bauen der Zukunft aus? Wie lassen sich die Herausforderungen lösen, die mit der Klimaneutralität, Ressourcenverfügbarkeit und Bezahlbarkeit einhergehen? Die Fraunhofer-Allianz Bau präsentiert im April auf BAU 2023 vielversprechende Ansätze und innovative Lösungen aus ihren verschiedenen Mitgliedsinstituten.

2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Emissionen bereits bis 2030 drastisch sinken: von 750 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahre 2020 auf 420 Millionen Tonnen im Jahr 2030. Dazu muss sich im Bausektor einiges tun – schließlich zeichnen die Herstellung von Gebäuden und ihr Betrieb für jährlich etwa 390 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verantwortlich.

Doch wie lässt sich der Weg hin zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft im Bau- und Wohnsektor gestalten, wie die erforderliche Transformation stemmen und sozialverträglich realisieren? Lösungen zeigt die Fraunhofer-Allianz Bau auf der Messe BAU 2023 vom 17. bis 22. April in Halle C2, Stand 528. Zahlreiche Exponate werden in und um den zweigeschossigen „Innovation Cube“ präsentiert. Er dient als symbolisches Gebäude zur Demonstration innovativer Lösungen für die Gebäudehülle, aber auch für den Innenraum – etwa für Technologien zur Feuchtemessung, zur Trocknung oder zur Akustik. Die Exponate sind in vier Themeninseln unterteilt: Energie und Wärme, Ressource und Recycling, Zukunft des Wohnens und Arbeitens sowie Digitalisierung.

Schwerpunkt Wärmerzeugung

Ein Schwerpunkt auf dem Weg zur Klimaneutralität liegt in der Wärmeerzeugung. Wärmepumpen bieten dafür nach Ansicht der Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute eine zukunftsträchtige Technologie – auch wenn sie sich durch klimaschädliche Kältemittel Minuspunkte einhandeln. Wie lassen sich klimafreundlichere Kältemittel realisieren? Wie lassen sich zusätzliche Wärmequellen für die Wärmepumpe erschließen, etwa in der Fassade? Großes Zukunftspotenzial habe auch die Geothermie. „Wir gehen davon aus, langfristig 25 Prozent des Wärmebedarfs über Geothermie decken zu können“, sagt Thomas Kirmayr, Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Bau. „Über die Geothermie können wir einen großen Teil der benötigten Wärme national und somit unabhängig von anderen Ländern produzieren.“ Dafür müssten aber mehr Flächen geothermisch erschlossen werden. Noch mangelt es an einer adäquaten Kartierung, die angibt, welche Flächen lohnenswert für eine geothermische Bohrung sind. Diese Lücke zu schließen und lohnenswerte Gebiete zu ermitteln, hat sich die Fraunhofer-Allianz Bau zum Ziel gesetzt.

Die Wärmewende müsse eng mit der Energieerzeugung gekoppelt werden. Etwa mit der Photovoltaik. Eines der Exponate aus diesem Bereich sind die „MorphoColor-PV-Module“: Photovoltaik-Module, die sich als bunte Design-Elemente in Fassaden oder Dächer integrieren lassen. Ihr Wirkungsgrad liegt bei über 90 Prozent herkömmlicher PV-Module. Die Forschenden optimierten zuletzt die Winkelstabilität, um ein homogenes Erscheinungsbild auch für schräge Betrachtungswinkel zu erreichen. Ergänzt werden solche Exponate durch solche aus dem Bereich des Energiemanagements: Wie lässt sich etwa die Gebäudemasse nutzen, um Energie oder Wärme zu speichern?

Auf der Suche nach neuen Technologien zur Trennung von Bauschutt

Eine weitere zentrale Aufgabe für den Bau liegt in der Kreislaufwirtschaft. „Wir verfolgen dabei zwei Stoßrichtungen: Prozessorientierte Innovationen zur Rohstoffgewinnung und Produktinnovationen mit Rezyklaten oder minimierter Umweltwirkung“, so Kirmayr. Um Kreislaufwirtschaft zu realisieren, müssten zunächst die nötigen Prozesse entwickelt werden, etwa Sortierprozesse, die aus Bauschutt sortenreine Materialien und somit Rohstoffe von Wert werden lassen. „Downcycling, bei dem aus Bauabbruch lediglich Füllstoffe für Autobahnen werden, kann kein ernsthafter Ansatz sein“, betont Kirmayr. „Wir sehen den Forschungsbedarf daher sehr stark im Prozessualen.“ Dazu gehören etwa neue Technologien zur Trennung von Bauschutt, denn diesem haften Anstriche, Dichtstoffe und andere Materialien an, die einem sortenreinen Rohstoff im Wege stehen. Welche Anlagentechnik kann eine solche Trennung leisten und wie lassen sich diese Technologien für die großen anfallenden Mengen skalieren? Ein möglicher Ansatz aus der Fraunhofer-Allianz Bau ist die Elektrodynamische Fragmentierung (EDF): Mit ihr lässt sich aus Altbeton hochwertige, ja sogar höherwertige Neuware erzeugen. Darüber hinaus sollte man zudem sinnvoller Weise vor allem Materialien mit hoher Umweltwirkung durch Rezyklate ersetzen, etwa Zement, oder allgemein Materialien, in deren Herstellung sehr viel Energie steckt.

Ein weiteres spannendes Thema ist Carbon Capture. So bindet zum Beispiel Holz CO2. „Wir haben inzwischen auch Lösungsprozesse, bei denen wir der Atmosphäre CO2 entziehen und dieses in einem Baustoff parken. Bringt man diese Baustoffe zudem in den Kreislaufprozess, wird das CO2 am Lebensende des Gebäudes nicht wieder in die Atmosphäre entlassen, sondern bleibt gebunden“, erklärt Kirmayr. „Es wird spannend, wie die Industrie diese Ansätze aufnimmt – denn damit wird Abfall zur interessanten und ökologischen Rohstoffquelle.“

Die Zukunft des Wohnens und Arbeitens

Im Zuge des Neuen Europäischen Bauhauses – einer kulturpolitischen Initiative mit den drei zentralen Werten Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusion – soll die Quartiersentwicklung nicht klassisch geschehen, indem die Stadt oder Investoren frei gewordene Flächen bebauen. Stattdessen soll die Zukunft des Wohnens in einem partizipativen Prozess gestaltet werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen in die Planung einbezogen werden und sich aktiv mit der Zukunft ihrer Stadt auseinandersetzen. „Die Fraunhofer-Allianz Bau bringt ihre Expertise in genau diesem Punkt ein: Wir stellen Lösungen bereit, die für mehr Partizipation sorgen, und geben einen Überblick über neue Innovationen, damit man gemeinschaftlich ein Zukunftsbild entwickeln kann“, so Kirmayr. Dabei greifen die Forschenden auch soziokulturelle Fragen auf: Wie lassen sich die Nutzenden in operative Prozesse integrieren? „Technik muss immer in Kombination mit den Anwendern und Anwenderinnen gedacht werden“, sagt Kirmayr.

Der Nutzen der Digitalisierung

Die vierte Themeninsel des Messestands widmet sich der Digitalisierung. Wie lassen sich digitale Lösungen nutzen, um Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität zu erreichen? Auch bei partizipativen Prozessen kann die Digitalisierung helfen: In Richtung Bürgerbeteiligung kann man beispielsweise dreidimensionale Modelle erstellen, bevor etwas gebaut wird – und somit eine bessere Grundlage schaffen, um mit den Beteiligten in den Diskurs gehen zu können. Ein Beispiel ist der „Elbedome“ in Magdeburg: Dort stehen die Betrachtenden in einer 360-Grad-Cave, also quasi mitten im Modell. „Auf diese Weise kann man Leute ganz anders mit in Planungs- und Entscheidungsprozesse hineinnehmen, die zuvor kaum zu transportieren waren“, sagt Kirmayr. Derzeit arbeiten die Forschenden daran, weitere Features einzubinden – etwa Akustik, Lichtsituation oder Temperaturempfinden – und so die Planung in noch stärkerem Ausmaß erlebbar werden zu lassen. „Anhand von Planungsdaten, etwa Dezibel-Angaben, ist nur schwer vorstellbar, wie sich neue Technologien auswirken. Kann man jedoch selbst erleben, wie sich beispielsweise Schallschutzfenster auf den wahrgenommenen Straßenlärm auswirken, wird das schnell verständlich“, sagt Kirmayr. Interessant ist zum Beispiel der Anwendungsfall Büro: Wird es im Sommer an der Fassade zu heiß? Reicht die Klimatisierung? Wie wird eine Verschattung empfunden, die es zwar kühler werden lässt, jedoch auch den Blick nach draußen verhindert? „Durch den digitalen Zwilling wollen wir Entscheidungsprozesse vereinfachen, die der Bauherr oder die Bauherrin aus Plänen und technischen Daten nur schwer nachvollziehen kann“, fasst Kirmayr zusammen. „Wichtig ist ein solch digitaler Zwilling nicht nur bei Neubauten, sondern auch im Bestand, um die Sanierung transparent zu erfassen“, sagt Kirmayr.

Eine Beschreibung dessen, wie sich die Forschenden der Fraunhofer-Allianz Bau das Bauen der Zukunft vorstellen, findet sich im Positionspapier „Bauen der Zukunft“. Die aktuellen und zukünftigen Wandlungen in der Baubranche fließen dort mit ein. Kirmayr: „Mit dem Positionspapier wollen wir weniger für die Probleme sensibilisieren, vielmehr wollen wir einen Vorschlag zur erforderlichen Transformation über die kommenden zehn Jahre, verknüpft mit einem Aktionsplan, anbieten.“ Informationen zur Fraunhofer-Allianz Bau finden Sie unter www.bau.fraunhofer.de. Informationen zum Stand der Fraunhofer-Allianz Bau und den Exponaten finden Sie hier.

zuletzt editiert am 09.02.2023