Die Technikzentrale des RENBuild-Systems im Demowohngebäude des Projektpartners Hanse Haus mit Hochleistungshybridspeichern, optimierter Wärmepumpe und intelligenter Gebäudeautomation (Quelle: Hanse Haus)

Anlagentechnik

22. February 2023 | Teilen auf:

Energie für die Gebäude der Zukunft

Das Center for Applied Energy Research (CAE) und seine Partner aus Wissenschaft und Industrie arbeiten gemeinsam im Forschungsprojekt RENBuild an einer klimagerechten Energieversorgung für Gebäude. Wärme, Klimakälte, Strom und Frischluft aus einem vernetzten und kompakten regenerativen Energiesystem soll für hohe Effizienz und Wohnkomfort in Gebäuden sorgen.

Die Ansprüche an die Energieversorgung von Gebäuden steigen zunehmend. Die notwendige Reduzierung von klimaschädlichen Treibhausgasemissionen im Gebäudesektor erfordert die Einbindung eines hohen Anteils erneuerbarer Energien. Bis 2045 soll in Deutschland ein klimaneutraler Gebäudebestand realisiert sein. Gleichzeitig häufen sich die Hitzeperioden, was die Nachfrage nach Klimaanlagen antreibt. Gerade in den Innenstädten leiden vulnerable Bevölkerungsgruppen an Hitzetagen, wenn Temperaturen über 30 °C erreicht werden. Im vergangenen Jahr kam noch der Wunsch nach verlässlichen Energiequellen und Energiepreisstabilität dazu.

Das vor gut drei Jahren mit Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gestartete Forschungsprojekt RENBuild hat genau diese Aspekte im Fokus und entwickelt ein Gesamtsystem zur kombinierten regenerativen Versorgung von Gebäuden mit Wärme, Kälte, Strom und Frischluft. Dieses soll bis Ende 2023 in der Praxis erfolgreich getestet werden. Projektbeteiligte sind unter der Federführung des Center for Applied Energy Research (CAE) in Würzburg, die Universität Paderborn sowie die Unternehmen PA-ID Automation und Vermarktung GmbH, Neuberger Gebäudeautomation GmbH, Dipl.-Ing. Hölscher GmbH & Co KG, ESDA Technologie GmbH, ratiotherm GmbH & Co. KG, Renz Solutions GmbH und die Hanse Haus GmbH & Co. KG. Das Forschungsvorhaben wird mit circa drei Millionen Euro gefördert.

Multivalente, reversible Wärmepumpe als zentrales Element

PVT-Kollektoren als Wärme-, Kälte- und Stromquelle für das RENBuild-System, auf dem Freiflächenversuchsgelände des CAE als Teil der Versuchsanlage. (Quelle: CAE)

Das RENbuild-System besteht aus solaren Hybridkollektoren, die elektrische Energie, Wärme- oder Kälteenergie bereitstellen können, einem kombinierten Hochleistungs-Wärme-/Kältespeicher, einem flexiblen Wärmepumpensystem und einer intelligenten Gebäudeautomation, welche die Energieflüsse je nach Bedarf regelt und steuert. Jede Komponente wurde im Projekt weiterentwickelt und unter den Gesichtspunkten der Systemintegrierbarkeit optimiert. Ein zentrales Element stellt die multivalente, reversible Wärmepumpe dar. Dabei nutzt die Wärmepumpe gleich mehrere Wärmequellen beziehungsweise Wärmesenken – eben multivalent – und wird zum Heizen und Kühlen, mithin reversibel, eingesetzt. Ein großer Vorteil der eingesetzten Hybrid-Kollektoren gegenüber Luftwärmetauschern ist deren absolut lautloser Betrieb sowie die Möglichkeit der Nutzung vorhandener Dach- oder Fassadenflächen. Immissionsschutz sowie fehlende Stellflächen für den Wärmetauscher stellen somit kein Hindernis für den Einsatz einer Wärmepumpe dar. Die Vermeidung eines Flächenkonflikts auf dem Dach zwischen Photovoltaik und Solarthermie ist ein weiterer Vorteil der Hybrid-Kollektoren. Die genannten Punkte machen den im Projekt verfolgten Ansatz grundsätzlich auch für den dicht bebauten städtischen Bereich und für Nachrüstungen im Gebäudebestand interessant. So könnte das System auch dort eingesetzt werden, wo weder Erdsonden realisiert werden können noch geeignete Stellflächen für Luftwärmetauscher zur Verfügung stehen.

Um vorhandene Umweltenergie möglichst effizient zu nutzen, werden im RENBuild-System Latentwärmespeicher, sogenannte PCM-Hybrid-Speicher, mit einer etwa dreifach höheren Speicherfähigkeit als herkömmliche Wasserspeicher eingesetzt. Diese speichern die erzeugte Wärme oder Kälte für die spätere Nutzung zwischen. Die Speicherbeladung kann prinzipiell sowohl rein passiv über die PVT-Kollektoren als auch mit Unterstützung der Wärmepumpen erfolgen. Wobei die Wärmepumpe vorrangig mit dem zeitgleich erzeugten PV-Strom betrieben werden soll. Der Clou am System ist, dass es mit Hilfe der Wärmepumpe möglich ist, Wärme und Kälte gleichzeitig zu erzeugen. Die Wärmepumpe entzieht dem Kältespeicher die Wärme, kühlt diesen also, und führt diese Wärme dem Wärme- beziehungsweise Warmwasserspeicher mit einer höheren Temperatur zu. Perspektivisch ermöglicht die Einbindung dieser Hochleistungsspeicher auch netzdienliche Betriebsweisen, immer dann nämlich, wenn es ein Überangebot an Strom gibt. Die intelligente Steuerung und Regelung sichert einen energieoptimierten Anlagenbetrieb, bei dem sogar die Wetterprognose berücksichtigt wird. Das Gesamtsystem weist dadurch einen hohen Eigenverbrauch des selbsterzeugten PV-Stroms und im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen einen deutlich geringeren Strombezug aus dem Netz auf.

Nach drei Jahren Forschung im Labor erfolgt nun die Praxiserprobung

Eine Herausforderung im Projekt war und ist die hohe Umsetzungsgeschwindigkeit, mit der die verfolgten Forschungs- und Entwicklungsansätze in die Praxis gebracht werden sollten. So wurden am CAE zu Projektbeginn Einzelkomponenten in Versuchsständen untersucht, im Technikum des Instituts wurde ein realitätsnaher Prototyp des neu entwickelten Energiesystems getestet, bevor das System in einem Musterhaus in Estenfeld bei Würzburg installiert wurde. Dabei wurden permanent aktuelle Erkenntnisse berücksichtigt und das System laufend optimiert. „Forschung muss hier mehr leisten als gute Ideen und neue Erkenntnisse. Sie muss auch die Ideen mit innovativen Partnern schnell in die Praxis bringen“, so CAE-Vorstand Hans-Peter Ebert. Frühzeitig wurde mit den Planungen für zwei Demonstrationsgebäude (ein Wohnhaus und ein Bürogebäude) begonnen. Das Wohngebäude ist seit Herbst vergangen Jahres in Betrieb. Das Bürogebäude soll bis zum Sommer 2023 in Betrieb gehen. Beide Gebäude durchlaufen noch dieses Jahr eine intensive Messphase. Weitere Informationen >>>

zuletzt editiert am 23.02.2023