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Die denkmalgeschützte Scheune aus dem 17. Jahrhundert stand vor dem Umbau leer und war stark beschädigt. (Abb.: COAST office architecture / Velux Deutschland GmbH)

Bauwerkserhaltung 2017-08-28T00:00:00Z Dunkle Scheune? Helles Atelier!

Historische, nicht mehr genutzte Ställe und Scheunen stellen in ländlichen Regionen nicht nur eine Raumreserve dar. Oft lassen sie sich zu ganz besonderen Wohn- oder Arbeitsräumen umbauen. Die Versorgung mit Tageslicht und die Statik stellen dabei jedoch besondere Herausforderungen dar.

Eine Lösung für die Belichtung alter Scheunen hat das Architekturbüro Coast office architecture aus Stuttgart beim Umbau einer denkmalgeschützten Scheune in Waiblingen verwirklicht.

Galerie lässt Licht von oben ins Erdgeschoss

Die Scheune aus dem 17. Jahrhundert stand lange leer und war bei Beginn der Arbeiten stark geschädigt. Es dürfte vor allem die Bauweise der Wände aus Bruchsteinmauerwerk gewesen sein, die den Totalverlust des aus einem Erdgeschoss und im Hauptteil auch aus einem Dachgeschoss mit Satteldach bestehenden Baukörpers verhindert hat.

Um bei der Sanierung die Eingriffe in den historischen Bestand so gering wie möglich zu halten, wurden in den Wänden des Erdgeschosses keine Fenster vorgesehen, sondern lediglich das ursprüngliche Scheunentor sowie eine ebenfalls schon vorhandene Nebentür durch Glastüren ersetzt. Dafür integrierten die Architekten in das ohnehin komplett zu erneuernde Dach insgesamt neun Dachfenster. Drei von ihnen schaffen eine helle und freundliche Atmosphäre im eingeschossigen Anbau, der heute eine Küche enthält. Um ein bequemes Öffnen zu ermöglichen, wurde eines der Fenster mit einem per Funk zu bedienenden elektrischen Antrieb ausgerüstet. Es kann auch zur automatisierten Lüftung verwendet werden. Über die Funksteuerung lassen sich bestimmte Zeiten für die Fensteröffnung festlegen, sodass ein planmäßiges Lüften auch bei Abwesenheit der Bewohner sichergestellt ist. Zur Grundausstattung gehörende Regensensoren schließen das Fenster bei aufkommendem Niederschlag oder verhindern das Öffnen bei Regen.

Sechs weitere Dachfenster sind auf einer Seite des Satteldachs angeordnet und sorgen für einen sehr hellen Raum. Damit der Lichtüberschuss tagsüber auch dem Erdgeschoss zugutekommt, endet der neu eingezogene Dielenfußboden der oberen Etage etwa ein Meter vor der Traufwand. Durch den offen bleibenden, mit einem Glasgeländer gesicherten Deckenstreifen dringt das Tageslicht direkt von den Dachfenstern in die unteren Räume.

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Teile des Dachstuhls waren einsturzgefährdet. Das Fachwerk teilweise morsch. (Abb.: COAST office architecture / Velux Deutschland GmbH)

Dadurch entstehen gut ausgeleuchtete Atelier- und Ausstellungsbereiche, ohne dass zusätzliche Fenster in die historischen Wände gebrochen werden mussten. Eine ungewöhnliche Lösung, mit der die Bauherren unter anderem auch deshalb sehr zufrieden sind, weil große ungestörte Wandflächen für das Aufhängen beziehungsweise  Aufstellen der Kunstwerke erhalten werden konnten. Der offene Deckenstreifen lässt im Obergeschoss einen spannenden galerieartigen Raum entstehen.

Dachstuhl war einsturzgefährdet

Am Beginn der Arbeiten standen jedoch zunächst ein einsturzgefährdeter Dachstuhl, morsches Fachwerk und feuchte Außenwände. Um die Standfestigkeit wieder zu gewährleisten, wurden als erste Sanierungsmaßnahme die durch Feuchtigkeit zerstörten Hölzer des Dachtragwerks und des Holzfachwerks ausgewechselt oder verstärkt.

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Mit insgesamt 6 Dachfenstern, die alle auf derselben Seite des Satteldachs eingebaut sind, entsteht ein besonders helles Dachgeschoss, das seinen Lichtüberschuss über den freien Deckenstreifen an die unteren Räume abgeben kann. (Abb.: Velux / David Franck)

Sowohl die Bauherren als auch die Architekten und die Zimmerleute von JaKo Baudenkmalpflege, Rot an der Rot, waren sich einig, dass größter Wert auf eine originalgetreue Restaurierung gelegt werden sollte. Neue Balken oder Verstärkungen wurden wie die historische Konstruktion aus Fichte gefertigt und mit traditionellen Techniken der Holzverbindung, etwa durch Überblattungen, Zapfen oder Holznägel, in den Bestand eingefügt.

Die Ausfachung der Wände mit Lehmsteinen und das Auftragen von Lehmputz im Innenbereich sorgen für ein ausgeglichenes Raumklima und sind Bestandteil der denkmalgerechten Sanierung. Die alten Bruchsteinwände blieben innen ohne Putz. Ihre Außenseite war jedoch historisch verputzt, sodass hier sechs Zentimeter dicker Wärmedämmputz die traditionelle Ansicht wiederherstellt, sie aber mit einer zeitgemäßen energetischen Verbesserung kombiniert.

Dachstuhl mit Kontersparren verstärkt

Auch der Neuaufbau des Dachs ist eine Synthese aus überlieferten Techniken und moderner Funktionalität. Ausgangspunkt waren hier die vorhandenen beziehungsweise ergänzten oder erneuerten Sparren, die als Zeugen der ursprünglichen Bauweise sichtbar bleiben sollten. Vor allem die Balkenköpfe

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Im eingeschossigen Anbau befindet sich heute eine Küche, in der das Tageslicht über drei Dachfenster direkt auf den Arbeitsbereich fällt. Ein Elektrofenster ermöglicht trotz der hohen Einbauhöhe komfortables Lüften. (Abb.: Velux / David Franck)

der Zwischendecke und die Fußpunkte der Sparren benötigten umfangreiche Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen. Doch auch damit konnte keine ausreichende Sicherheit für die Tragfähigkeit der historischen Holzkonstruktion hergestellt werden. Man hätte die Sparren nun sichtbar aufdoppeln können, damit aber auch die ursprüngliche Ansicht der Dachunterseite stark verfälscht und in ihren Proportionen verändert. Deshalb kamen nicht sichtbare Kontersparren zum Einsatz. Auf den alten Sparren wurden zunächst eine Brettschalung und die Dampfbremse aufgebracht. Erst darüber befinden sich die Kontersparren  aus 10 mal 16 Zentimetern, die von außen mit Vollgewindeschrauben durch die Schalung hindurch in ihren historischen Pendants befestigt sind. Von außen sind die neu entstandenen Sparrenfelder mit einer diffusionsoffenen Wand- und Dachplatte (DWD) geschlossen, wodurch der Hohlraum für eine Zellulose-Einblasdämmung entstand. Den Abschluss bildet eine Falzziegeldeckung auf Konterlattung und Lattung.

Wie das Fachwerk im Untergeschoss erhielten auch alle inneren Dachbauteile eine Behandlung mit hell pigmentiertem Öl, was den Kontrast zwischen alten und den neuen Hölzern abmildert und zusammen mit den weiß verputzten Gefachen der Wände eine ruhigere, gleichmäßig helle Oberfläche zum Platzieren der Kunstwerke schafft.

zuletzt editiert am 09. April 2021