Textilbeton
Am Aachener Dom wurde eine Bandage aus Textilbeton eingebracht, um einen Riss instand zu setzen. Das Bild zeigt den Einbau der unteren Lage der textilen Bewehrung. (Abb.: Ibac)

Bauwerkserhaltung 2014-08-15T00:00:00Z Des Bauwerks neue Kleider

Im Rahmen von Forschungsarbeiten wurde am Institut für Bauforschung der RWTH Aachen University (ibac) eine innovative Schutzschicht aus einem dauerhaften, wasserundurchlässigen und rissüberbrückenden Textilbeton („Durtex“) entwickelt. Diese mit technischen Textilien bewehrte und mörtelbasierte Schutzschicht ermöglicht die Instandsetzung von Bauwerken aus verschiedenen Baustoffen, wie zum Beispiel aus Stahlbeton oder Naturstein. Der folgende Artikel stellt sowohl das Konzept der Schutzschicht, als auch dessen praktische Umsetzung am Beispiel von Instandsetzungen am Aachener Dom sowie eines Pfeilers an einem Wehrbauwerk des Neckars vor.

Bei der Erhaltung von Bauwerken ist es eine wichtige Aufgabe, vorhandene Risse zu schließen und abzudichten. Bei Bauwerken aus Stahlbeton werden hierfür in der Regel Verfahren der Rissverpressung mittels Reaktionsharzen oder Zementleim/-suspensionen angewendet, die in der Richtlinie „Schutz und Instandsetzung von Betonbauteilen“ des DAfStb (RL SIB) geregelt sind. Alternativ werden auch bewehrte oder unbewehrte Streifen aus Oberflächenschutzsystemen eingesetzt. Diese Rissbandagen aus faserverstärkten Kunststoffen oder bewehrtem Beton/Mörtel haben den Vorteil, dass Risse auch bei größeren Rissbewegungen sicher abgedichtet werden können. Dagegen verbinden kraftschlüssige Rissinjektion aus Epoxidharz oder Zementleim die Rissufer starr miteinander und ermöglichen keine Rissbewegungen.

Insbesondere bei denkmalgeschützten Sichtbetonbauwerken, bei denen das Erscheinungsbild nicht grundlegend verändert werden soll, ist der Einsatz flächiger, mörtelbasierter Schutzschichten interessant. Um ein „Durchschlagen“ der Risse in die Mörtellage zu vermeiden, ist diese zu bewehren. So wird ein zu Stahlbeton analoges Tragverhalten erzielt. Anders als bei Bauwerken aus Stahlbeton ist für die Rissbehandlung bei solchen aus Naturstein praktisch immer eine gewisse Elastizität der rissüberbrückenden Schicht erforderlich, die eine Rissöffnung und damit geringe Verformung des Bauwerks zulässt. Dadurch kann vermieden werden, dass kritische, zusätzliche Spannungen in das Mauerwerk eingeleitet werden.

So ist ein „Verklammern“ der Rissufer grundsätzlich als kritisch zu bewerten, denn bei diesem Verfahren besteht die Gefahr, dass das Mauerwerk infolge der punktuellen Belastung versagt. Sofern eine Veränderung des Erscheinungsbildes erlaubt ist, kann auch eine flächige, bewehrte und mörtelbasierte Schutzschicht aufgetragen werden, um Risse im Natursteinmauerwerk abzudichten und gleichzeitig die Rissufer sowohl dehnfähig als auch dauerhaft miteinander zu verbinden.

Um allerdings die Dehn- und Verformbarkeit der Schutzschicht auszunutzen, muss entlang der Rissflanken ein sogenannter Enthaftungsstreifen vorgesehen werden, wodurch eine freie Dehnlänge der Schutzschicht realisiert wird. Das heißt, dass die Schutzschicht in diesem Bereich keinen oder nur einen geschwächten Verbund zum Untergrund hat. Die Bewegung eines Risses kann so – je nach verwendeter Bewehrung – in viele kleinere Risse umgewandelt werden.

Bewehrung aus Textilbeton ermöglicht minimale Dicken

Benötigt man eine mörtelbasierte Schutzschicht mit nur sehr geringer Dicke, können technische Textilien als Bewehrungsmaterial verwendet werden. Unter technischen Textilien versteht man biaxiale Gelege aus alkalirestistentem Glas (AR-Glas) oder Carbon. Diese Materialien werden aus Tausenden von einzelnen Fasern (Filamenten) mit Durchmessern von 10–30 μm zu sogenannten Rovings gebündelt, die wiederum einen Durchmesser von lediglich 1 bis 2 Millimeter aufweisen. Die Maschenweiten der daraus hergestellten Gelege betragen 5 bis 20 Millimeter. Sie können ungetränkt oder polymergetränkt sein.

So besteht zum Beispiel ein typischer „2400 tex AR-Glas Roving“ (2400 tex = 2.400 g/km Länge) aus circa 1.560 Einzelfilamenten. Sowohl Glas als auch Carbon können entweder als flächige Textilien (2-D-Textilien) oder als 3-D-Textilien hergestellt werden. Bei sogenannten 3-D-Textilien werden zwei 2-D-Textilien mittels Abstandsgewirken starr miteinander verbunden, so dass die beiden Bewehrungslagen auf einem definierten Abstand gehalten werden. Zurzeit sind Abstände zwischen 5 und 20 Millimetern herstellbar.

Bei Verwendung von AR-Glas als textiles Bewehrungsmaterial können allerdings im Rahmen einer Bauteillebensdauer von 50 Jahren unter ungünstigen Bedingungen bis zu 40 Prozent der Ausgangsfestigkeit infolge von Glaskorrosion verloren gehen [6].

Bei Carbon als Bewehrungsmaterial ist zu beachten, dass es querdruckempfindlich ist. Anders als Glas oder auch Stahl sollte das Material daher nicht quer zur Filament- ausrichtung belastet werden. Dies ist in der Regel allerdings nur bei Umlenkungen von Carbonbewehrungen zu beachten.

Feinbetonmischung wird mit technischen Textilien kombiniert

Die Kombination solcher technischen Textilien mit einer zementgebundenen Matrix wird als „Textilbeton“ bezeichnet. Dieser Werkstoff ist eine Weiterentwicklung des klassischen Stahlbetons und ermöglicht es, dünnwandige und hochbelastbare Bauteile herzustellen. Die übliche Stahlbewehrung wird bei Textilbeton durch technische Textilien ersetzt, die in der Regel als Textilgelege in den Beton eingebaut werden, um die Zugkräfte des Bauteils aufzunehmen. Sie haben im Gegensatz zu Baustahl folgende Vorteile:

❚ vergleichsweise hohe Zugfestigkeit, die die von üblichem Baustahl um mehr als das Zwei- bis Dreifache übersteigt,

❚ geringer Durchmesser,

❚ keine Korrosionsanfälligkeit infolge Karbonatisierung oder Chlorideintrag.

Als Betonmatrix wird bei Textilbetonen eine Feinbetonmischung eingesetzt, die üblicherweise Gesteinskörnungen bis 6 mm aufweist. Ihre Eigenschaften sind auf die speziellen Anforderungen abgestimmt, die zur Herstellung von Textilbetonbauteilen erforderlich sind. Diese Betone unterscheiden sich von Normalbetonen nach DIN EN 206-1 durch ihren höheren Bindemittelgehalt und ihre höhere Druckfestigkeit, die in der Größenordnung höher-/hochfester Betone liegt [1].

Textilbeton wurde in den beiden Sonderforschungsbereichen SFB 528 an der TU Dresden sowie SFB 532 an der RWTH Aachen zwischen 1999 und 2011 umfangreich untersucht [2]. Im Rahmen des SFB 532 wurde die Anwendung von Textilbeton für neue Bauteile erforscht, der SFB 528 hat die Möglichkeiten des nachträglichen Verstärkens von Stahlbetonkonstruktionen mit Textilbeton untersucht.

Das nachfolgend dargestellte Konzept einer dauerhaften und rissüberbrückenden Schutzschicht basiert auf den im Rahmen des SFB 532 entwickelten Materialien. Es ist dafür konzipiert, die Tragfähigkeit von Bauwerken wieder herzustellen, aber nicht, sie zu verstärken.

Dieser Beitrag ist Teil eines Artikels aus B+B BAUEN IM BESTAND, Ausgabe 6.2012

Autoren: Dr.-Ing. Till Büttner und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Raupach

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zuletzt editiert am 09. April 2021