fließendes Gewässer
Die Ruhr bei Arnsberg: Besonders hohe Belastungen mit PFAS sind in Nordrhein-Westfalen erstmalig im Jahr 2006 in Einzugsgebieten von Möhne und Ruhr festgestellt worden. (Quelle: Clemens Scheumann/pixelio.de)

Schadstoffe 7. September 2023 Das PFAS-Dilemma

Fünf EU-Staaten, darunter Deutschland, setzen sich für ein umfassendes Verbot von sogenannten Per- und Polyfluorierte Alkyl-Substanzen, besser bekannt als PFAS, ein. Diese wegen ihrer Langlebigkeit auch „Ewigkeitschemikalien“ genannten Stoffe sind gesundheitsschädlich und einige stehen im Verdacht, krebserregend zu sein. Gleichzeitig sind sie ein elementarer Bestandteil vieler Produkte. Ein Verbot hätte also weitreichende Konsequenzen. Ein Dilemma, so der VDI in einer Stellungnahme.

Wegen ihrer wasser- und schmutzabweisenden Eigenschaften werden PFAS in vielen Konsumgütern eingesetzt. Am bekanntesten sind teflonbeschichtete Pfannen, Outdoor-Kleidung oder Einwegverpackungen. Durch ihre besondere Chemikalienbeständigkeit kommen sie aber auch in vielen Industriegütern einschließlich Baustoffen vor. So zum Beispiel in Wetterschutzfarben und -lacken, zum Schutz vor Verschmutzung von Häuserfassaden. Dichtungen, Ventilen und Schläuchen kommen die langlebigen und beständigen Eigenschaften von PFAS ebenso zugute. Hiervon profitieren neben Laborgeräten und Industrieanlagen auch Energiespeicher, Wärmepumpen und Windturbinen, in deren Antrieben und Generatoren Teile verbaut sind, die PFAS enthalten – aktuell noch alternativlos. Käme es zu einem Verbot von PFAS, „würde das die industrielle Produktion teilweise auf den Entwicklungstand von 1950 zurückwerfen. Die Qualität der Grundversorgung der Menschen wäre an vielen Stellen gefährdet“, so eine Stellungnahme des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) im Juni dieses Jahres. Was die Elektromobilität betrifft, warnt der Automobilverband VDA, „dass ohne diese Chemikalien heute weder die bestehenden Elektrofahrzeuge noch zukünftige Fahrzeugtechnologien denkbar seien.“

Gibt es für Konsumgüter Alternativen mit ähnlichen Eigenschaften – nicht fluorierte Wachse, die Textilien wasserabweisend machen oder Gusseisen und Emaille für Pfannen – sind die Hochleistungskunststoffe aus PFAS in Chemie- oder Industrieanwendungen bislang nicht zu ersetzen, schreiben die VDI-Fachautoren Kevin Hares und Alice Quak. Dichtungsmaterialien, wie Perfluorkautschuk mit hoher chemischer und thermischer Belastbarkeit, sichern die Funktion von Anlagen und Betriebsabläufen.

Gesundheitsschädlichkeit gilt als erwiesen

Auf der anderen Seite der Gleichung steht die schädliche Wirkung der Substanzen auf Menschen und Umwelt: Sie reichern sich im Blut und im Organgewebe an und werden nur langsam ausgeschieden. Einige PFAS stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen, für viele andere gesundheitlichen Auswirkungen, wie zum Beispiel Leberschäden, Nierenkrebs und Schilddrüsenerkrankungen, gilt ein Zusammenhang als sicher. Deutsche, niederländische, dänische, norwegische und schwedische Behörden haben deshalb gemeinsam ein Beschränkungsdossier für PFAS ausgearbeitet, die die Stoffgruppe als Ganzes umfassen soll. Ein Inkrafttreten würde den Lebenszyklus von PFAS-enthaltenden Produkten von der Herstellung bis zur Entsorgung einschließen. Durch die Aufnahme der gesamten Stoffgruppe könnten erneute Substitutionen verhindert werden.

PFAS zu beschränken, wenn nicht gar komplett zu verbieten, sei ein durchaus begründetes Bestreben, so der VDI. Dies hätte direkte, positive Effekte auf Umwelt und Gesundheit. Die negativen wären allerdings gleichermaßen immens, wenn auch indirekt: Technologien, die für das Gelingen der Energiewende erforderlich sind, ließen sich dann nicht mehr betreiben. Der Klimawandel würde vorangetrieben, statt ihn zu bremsen. Ein schwer zu lösendes Dilemma, befinden die Autoren des VDI.

Insgesamt sei ein umfassendes Verbot für die Stoffgruppe der PFAS daher gut abzuwägen. Die momentan diskutierte Ausnahme für „wichtige“ Technologien, wie Halbleiter, Elektrolyseure und elektrische Antriebe, berge die Schwierigkeit, dass hiervon unter anderem Polymere betroffen sind. Diese Polymere benötigen ihrerseits zur Herstellung PFAS. Die Folge könne der „Export“ von Umweltschäden sein, weil PFAS-Zwischenprodukte und Polymere dann vermehrt in weniger regulierten und kontrollierten Märkten hergestellt und so letztlich mehr PFAS in die Gesamtumwelt gelangen würden. Dennoch müsse das Ziel sein, so viele PFAS und so schnell wie möglich durch weniger bedenkliche Alternativen zu ersetzen. Bei den Konsumgütern scheint das weitgehend möglich. Weitere Informationen >>>

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zuletzt editiert am 07.09.2023