Objektbericht Wohnhaus Freiberg (Knauf)
Der Grundstein des Reihenhaus wurde im 15. Jahrhundert gelegt. Jetzt wurde es zum Passivhaus saniert. (Abb.: Knauf Perlite/E. Reinsch)

Innendämmung 2012-11-15T00:00:00Z Altbau wird Passivhaus

Ein historisches Gebäude in der Freiberger Innenstadt mit einer Bausubstanz aus dem 16. und 19. Jh. wurde in ein komfortables Wohnhaus umgebaut verbunden mit dem Ziel, unter Beibehaltung vieler historischer Details den Passivhausstandard zu erreichen.

Das Ziel des Bauherrn war, das über 500 Jahre alte Haus in ein Nullenergiehaus zu verwandeln, obwohl die baulichen Gegebenheiten und der Denkmalschutz eigentlich dagegen sprachen. Man wollte zeigen, dass man auch ein Gebäude mit Passivhausstandard architektonisch anspruchsvoll gestalten kann, ohne historische Details durch massive Dämmung an der Außenfassade zu zerstören.

Bei dieser energetischen Altbausanierung wurden neue Technologien und Ansätze erprobt, die zukünftig Vorbildcharakter bei der Niedrigenergiesanierung historischer Gebäude haben können. Hier hat der Bauherr mit dem Institut für Bauklimatik der TU Dresden zusammengearbeitet.

Zusammenarbeit mit dem Institut für Bauklimatik

Objektbericht Wohnhaus Freiberg (Knauf)
Das Gebäude wird im Rahmen eines Langzeitmonitorings durch das Institut für Bauklimatik der TU Dresden begleitet. (Abb.: Knauf Perlite/E. Reinsch)

Im ersten Schritt wurde der Energieverbrauch nach EnEV berechnet. Es ergab sich in etwa ein Verbrauch von 30kWh/(m² - a). Eine weitere Optimierung erfolgte im "Passivhaus-Projektierungs-Paket" (PHPP).

Das PHPP wurde vom Passivhaus-Institut (PHI) in Darmstadt unter der Leitung von Dr. Wolfgang Feist entwickelt und stellt ein äußerst realistisches, jahreszeitlich stationäres Nachweisverfahren dar, um zu bestimmen, ob ein Gebäude den Kriterien des Passivhaus-Standards entspricht.

Abschließend fand in enger Abstimmung mit dem Architekten, dem Statiker und dem Institut für Bauklimatik der TU Dresden eine Optimierung statt.

Jedes Bauteil wurde separat betrachtet und nach und nach wurden gravierende Wärmebrücken bautechnisch beseitigt, so dass der Energieverbrauch auf etwa 20 kWh/(m² - a) reduziert werden konnte.

Um die Effektivität der unterschiedlichen Maßnahmen zu bewerten, wird das Gebäude weiterhin im Rahmen eines Langzeitmonitorings durch das Institut für Bauklimatik der TU Dresden begleitet.

Objektbericht Wohnhaus Freiberg (Knauf)
Wärmebrücken wurden Beseitigt und eine Innendämmung wurde angebracht. (Abb.: Knauf Perlite/E. Reinsch)

Neues Energiekonzept

Ausrichtung, Gebäudeoberfläche, Dachfläche und Wärmebrücken sprachen aufgrund bisheriger Erfahrungen bei Altbausanierungen deutlich dagegen, aus dem denkmalgeschützten Gebäude ein Nullenergiehaus zu machen. Um dies trotzdem zu realisieren, wurde ein Energiekonzept umgesetzt, in dem soweit wie möglich Komponenten eingesetzt wurden, die aus dem Passivhausbau bekannt sind: Konsequente Beseitigung von Wärmebrücken in der Altbausubstanz, Innendämmung der Außenwände auf U<0,1W/(m² - K) mit "TecTem Insulation Board Indoor", Haus-im-Haus-Konzept und Passivhausfenster (in der unbeheizten Pufferzone normale Kastenfenster), Luftdichtheit, Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung, Solarthermie und Photovoltaik.

Alle energetischen Sanierungsmaßnahmen reduzieren den Heizenergiebedarf auf circa 20 kWh/(m² - a), was zwei Litern Heizöl pro Quadratmeter Wohnfläche und Jahr entspricht. Zum Vergleich: Vor der Sanierung hatte das Gebäude bei gleicher Nutzung einen Heizenergieverbrauch von 485 kWh/(m² - a). Erreicht wurde also eine Verbesserung von 95%.

Eine dachintegrierte Solarthermieanlage in Kombination mit einem saisonalen Folienspeicher unter der Bodenplatte des Hinterhauses erlaubt es, den Heizenergie- und Warmwasserenergieverbrauch auf Null zu reduzieren. Eine dachintegrierte Photovoltaikanlage deckt darüber hinaus in der Bilanz den Strombedarf des Gebäudes. Für alle Steuer- und Regelprozesse der einzelnen gebäudetechnischen Komponenten gibt es eine Vernetzung.

Umsetzung

Um den historischen Charakter des Gebäudes zu erhalten, wurde im Eingangsbereich auf eine Dämmung verzichtet. Man hat sich für ein zweigeschossiges unbeheiztes Atrium als Pufferzone entschieden, in dem das Treppenhaus des Gebäudes liegt. So konnte hier die ein Meter dicke Gneiswand mit Renaissancegewänden sichtbar bleiben und die Hausbewohner auf die Koexistenz von Alt und Neu vorbereiten. Denn hinter dem großzügig gestalteten, unbeheizten Eingangsbereich beginnt der Passivhausbereich.

Durch einen Geländesprung liegt ein Teil der Außenwand im Erdreich, der eine vertikale Abdichtung mit Perimeterdämmung erforderlich macht. Auf die horizontale Abdichtung der Außenwand wurde verzichtet. Bei dem vorhandenen Bruchsteinmauerwerk aus Gneis ist eine solche Abdichtung nur mit extrem hohem Aufwand umsetzbar.

Objektbericht Wohnhaus Freiberg (Knauf)
Der Aufbau der Außenwand (v. l. n. r.): Silikatfarbe, Dünnschichtputz mit Armierung, Mineralwolle, Kleber, Kalkzementputz, Mischmauerwerk, Kalkzementputz, Kleber, Calziumsilikat, hydraulischer Kalkputz zur Verklebung, Innendämmung, Dünnschichtputz mit Armierung und Dispersionssilikatfarbe. (Abb.: TU Dresden)

Die Innendämmung wird angebracht

Der Wandaufbau mit Innendämmung an der Außenwand Hintergebäude Ost und am Vordergebäude Süd umfasst von außen nach innen folgende Komponenten: Silikatfarbe, 6 mm Dünnschichtputz mit zwei Lagen Armierung, 120 mm Mineralwolle, 5 mm Kleber, 10 mm Kalkzementputz, 500 mm Mischmauerwerk (Gneis), 10 mm Kalkzementputz, 5 mm Kleber, 50 mm Calciumsilikat (aus einer früheren Schimmelsanierung), 5 mm hydraulischer Kalkputz zur Verklebung, 140 mm Innendämmung, 6 mm Dünnschichtputz mit Armierung, 2-lagig und nach innen abschließende Oberfläche Dispersionssilikatfarbe.

Mit Hilfe der genannten Calciumsilikatplatten hatte man bei einer früheren Sanierung bereits die Schimmelbildung an feuchten Wänden vermieden. Die energetische Sanierung wurde jetzt mit der Montage von der Innendämmung realisiert, der mineralischen und kapillaraktiven Dämmplatte mit einer Wärmeleitfähigkeit von λ = 0,045 W/(m - K), die zudem ebenfalls Schimmelpilzbildung vermeidet. Ein wesentlicher Punkt bei der Dämmung von Wohnraum ist die baubiologische Unbedenklichkeit der Materialien. Die Dämmplatte hat ein geringes Gewicht, ist faserfrei, schimmelresistent und nicht brennbar (Baustoffklasse A1 nach DIN EN 13501-1). Zum Verkleben der mineralischen Dämmplatte aus Perlit setzte man einen hydraulischen Kalkputz ein.

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Der Balkenkopf wurde auf einer druckstabilen Wärmedämmung aus Foamglas aufgelegt (hier sichtbar als dunkelgraues L). (Abb.: TU Dresden)

Dämmung von einbindenden Holzbalkendecken

In vielen alten Gebäuden findet man Holzbalkendecken vor, die in die Sanierungsmaßnahmen miteinbezogen werden müssen. Doch für die Sicherstellung der Dauerhaftigkeit von Holzbalkenköpfen gibt es zurzeit keine allgemeingültige Sanierungsstrategie. Das Institut für Bauklimatik der TU Dresden ist an einem Verbundforschungsprojekt zur "Holzbalkenkopfproblematik" beteiligt. Innerhalb der Baumaßnahme Wohnhaus Freiberg wurde eine Dämmung des Holzbalkenkopfes zur Minimierung des hygrothermischen Schadensrisikos konstruktiv durchgebildet und mit Hilfe des hygrothermischen Simulationsprogrammes Delphin die Funktionssicherheit nachgewiesen. Die Holzbalkenköpfe wurden auf einer druckstabilen Wärmedämmung aus Foamglas aufgelegt und mit einer Messstrecke für ein Langzeitmonitoring versehen.

Sonnenkraft

Für die Solarthermie stehen eine Dachfläche mit 43° Neigung und eine Gaubenfläche mit 28° Neigung mit insgesamt 47 m2 Fläche in Südorientierung zur Verfügung. Die 4.8 kWp Photovoltaik-Anlage wurde auf der Nordseite installiert. Die Anlage erzielt bei einer Dachneigung von 23° einen Jahresertrag von etwa 700kWh/kWp (70 % von der optimalen Südausrichtung). Eine volle Dachintegration und ein einheitliches Montagesystem für beide Anlagen sorgen für ein ästhetisches Erscheinungsbild auf dem denkmalgeschützten Gebäude.

Ziel des Bauherren und seines Forschungsobjekts ist es, neue Technologien und Ansätze in der energetischen Altbausanierung zu erproben, so dass das eine oder andere Detail Nachahmung findet und nach und nach die Niedrigenergiesanierung auch in historischen Gebäuden zum Standard wird. Das Langzeit-Monitoring des Instituts für Bauklimatik der TU Dresden und der Status als Forschungsprojekt der EU machen das Wohnhaus in Freiberg zu einem Objekt, an dem wichtige Erkenntnisse über das Zusammenspiel vieler einzelner Sanierungsmaßnahmen gewonnen werden können.

Geschichte des Hauses

Das ehemalige Bergarbeiterhaus aus dem 16. Jahrhundert in der Altstadt von Freiberg, an einem alten Bergarbeiterpfad gelegen, wurde später als Heimstätte für Handwerker und Kaufleute und zugleich gewerblich genutzt.

Da man die Besitzer bis zum Jahr 1554 lückenlos zurückverfolgen kann, weiß man, dass in der Nutzungszeit eines Kunstgärtners das Haus um 1845 komplett abbrannte und anschließend wiedererrichtet wurde.

Mit der aktuellen Sanierung, bei der der historische Charakter des Hauses erhalten bleibt, wird das Haus zukünftig ausschließlich zum Wohnen genutzt.

Bautafel

www.knauf.de

zuletzt editiert am 09. April 2021