Neben klassischen Wärmedämmungen wie Mineralwolle und Kunststoffschäumen kommen zunehmend auch sogenannte Biodämmstoffe in Mode. Eine Möglichkeit: Neptungras aus biogenen Fasern. Wo der Dämmstoff herkommt, wie er hergestellt wird und was er leistet, erfahren Sie im Beitrag.
Rund 25 Millionen Kubikmeter Dämmstoff wurden im Jahr 2005 im deutschen Bausektor verbraucht. In ganz Europa wird der Dämmstoffverbrauch zur gleichen Zeit auf ungefähr 77 Millionen Kubikmeter geschätzt. Der Naturdämmstoffanteil aus biogenen Fasern betrug zu jener Zeit in Deutschland circa 5 Prozent und somit ungefähr 1.250.000 Kubikmeter – eine ganze Menge, auch wenn der prozentuale Marktanteil zunächst eher nach Geringerem anmutet. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) prognostizierte natürlichen Fasern als Dämmstoffe in der Bauindustrie eine jährliche Wachstumsrate in Höhe von bis zu 15 Prozent bis zum Jahr 2020. Der Trend ist nicht wirklich eine Überraschung, denn auch schon die Jahre zuvor merkte man eine verstärkte Nachfrage nach solchen Dämmstoffen aus Naturfasern. Natürlich gibt es bei erhöhter Nachfrage auch immer eine Art Wachstum in Bezug auf die Vielfalt. So kann man neben Hanf, Flachs und Holzfasern auch immer wieder ganz andere Rohstoffquellen für Dämmstoffe verzeichnen wie Getreide, Gras, Schilf, Kork oder Rohrkolben. Einige haben sich bewährt, andere sind vom Markt schnell verschwunden.
Baustoff vom Meeresgrund
In der Natur stolpert man über einen Rohstoff, der im Gros schon fix und fertig für die Gebäudedämmung und andere Einsatzzwecke geliefert wird. Die Rede ist von braunen Faserbällen, die an den Stränden des Mittelmeers bei stürmischem Wetter angespült werden und umgangssprachlich als Neptunbälle bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich um abgestorbene Pflanzenteile einer Neptungrassorte (Posidoniaceae) – ein Seegras. In der Textilindustrie bekannt, kommt Neptungras beispielsweise bei der Produktion von Säcken oder mit Wolle gemischt, für die Herstellung von grobem Tuch oder als Polstermaterial zum Einsatz. Mitunter ein Grund, warum man die Posidoniafaser umgangssprachlich auch als Meerjute betitelte. Diese abgestorbenen Pflanzenteilchen des Seegrases sind baustofflich nutzbar, wenn sie in Form von mehr oder weniger großen Bällchen, den Neptunbällen, am Strand liegen. Die Ballform wird direkt durch die Dynamik des Meeres geschaffen. Abgestorbene Pflanzenteile werden am Meeresboden durch die Bewegung des Wassers so lange hin und her gerollt, bis alle verrottbaren Teile der Laubblätter abgerieben und nur noch die stabilen Rippen des Blattes übrig bleiben. Diese Blattrippen werden über die Meeresbewegungen dabei zu Bällchen geformt.

Allergikergeeignet und umweltfreundlich
Architekturprofessor Richard Meier aus Karlsruhe hat dieses Geschenk der Natur und vor allem die hohe Qualität der Neptunfaser erkannt und produziert seit geraumer Zeit einen mittlerweile auch allgemein bauaufsichtlich zugelassenen, losen Dämmstoff aus Neptunbällen – NeptuTherm. Zu diesen angesprochenen Qualitäten zählt zuallererst der hohe Gehalt an mineralischen Stoffen, wie beispielsweise Silikat, die der Faser einen von Natur gegebenen Brandschutz verleihen. Weitere brand- und flammhemmende Zusätze sind nicht erforderlich. Es liegt in diesem Fall tatsächlich eine reine Naturware vor, die auch von sensiblen Allergikern und Menschen mit chemikalischen Unverträglichkeiten ohne weiteres genutzt werden kann. Allergiefreundlichkeit ist ein wichtiger Punkt eines modernen und unbedenklichen Dämmstoffes. Mindestens ebenso wichtig ist aber auch der Fußabdruck, den der Mensch bei der Rohstoffgewinnung und Produktproduktion eines Baustoffes in der Umwelt hinterlässt. Fachlich korrekt ist hier die Rede vom Primärenergiebedarf. Er gibt an, wie viel Energie zur Herstellung eines Produktes benötigt wird. Auch hier zieht die Naturfaser eine äußerst positive Bilanz. Der Dämmstoff aus dem Neptungras benötigt nach Berechnung des Fraunhofer-Institutes für Chemische Technologie (ICT) circa 50 kWh/m 3 beim maschinellen Verblasen und circa 37 kWh/ m 3 beim manuellen Verarbeiten und das inklusive des Transports. Zum Vergleich, Dämmstoffe aus Steinwolle liegen hier nach Berechnungen des Instituts bei ungefähr 150 bis 400 kWh/m 3 , EPS bei ungefähr 200 bis 760 kWh/m 3 und PUR bei 800 bis 1500 kWh/m 3 .
Dieser Beitrag ist Teil eines Artikels aus DDH DAS DACHDECKERHANDWERK, Ausgabe 5.2014
Autor: Gerhard Holzraum

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